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Press-SchlagDer Untertan

■ Zum 75. ein Glas Fritz-Walter-Sekt

Fritz Walter schwamm. Im eigenen Pool. Bahn um Bahn. Viertel nach sechs an diesem Frühsommersamstag des Jahres 1991 näherte er sich vorsichtig seinem Haus, schrie nach Italia, sah ihr strahlendes Gesicht und jubilierte. Jetzt wußte er: Sein 1. FC Kaiserslautern war Meister. Erstmals ohne ihn auf dem Spielfeld, übrigens. Doch der Fritz hatte eine unbändige Freude, als – sagen wir – habe er just als Kapitän eine WM gewonnen.

Womit dreierlei gesagt sein will: Zum einen, daß der heute vor 75 Jahren als Sohn des Kaiserslauterer Vereinskneipenwirtes geborene Friedrich Walter das ist, was man bisweilen etwas vereinfachend einen guten Menschen nennt: Arglos, uneitel, und mit der seltenen Gabe, sich mit anderen zu freuen. Zum zweiten, daß jener Fußballverein ganz eindeutig neben Frau Italia das Wichtigste im Leben des Fritz ist. Zum dritten, daß Walter eigentlich kein Mann für die schwierigen Situationen des Lebens ist: Das, was die Sportjournalisten gemeinhin als „Hypersensibilität“ definierten, mag schlicht eine Unfähigkeit gewesen sein, sich Konflikten und Problemen aller Art zu stellen: Näherten die sich, flüchtete Fritz Walter. Ins Bett, aus der Nationalmannschaft, in den Alsenborner Pool. Und litt: wenn nicht an den Ohren, dann im Magen.

Der Spielführer jener deutschen Fußballnationalmannschaft, die am 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion die totale Kapitulation zwar nicht rückgängig machen konnte, wohl aber sie einem Großteil der 80 Millionen Deutschen verdrängen und vergessen half, war alles andere als ein Führer. Fritz Walter – und genau das hat seine erstaunliche Popularität im neodemokratischen (West-) Deutschland ausgemacht – war einer für alle: wenn nicht der geborene, dann der erzogene Untertan.

Ein Individualist, der sich selbst an der Welt rieb, war er nur auf dem Spielfeld. Dort hob ihn seine unvergleichliche Begabung weit über seine Mitspieler hinaus. Sobald das Spiel zu Ende war, fiel Walter in seine religiös determinierte Wichtexistenz zurück. Seine fragwürdige Demut, mit der er sagte, daß er „ohne die anderen gar nichts“ sei, war echt. Die Welt zu sehen, hatte ihn Hitler gezwungen, die Provinz aber war und blieb ihm Heimat. Der Fußball hatte ihn aus russischen Händen im Sommer 1945 aus ersterer in zweitere zurückgebracht – sie wieder zu verlassen kam für ihn nicht in Frage, auch nicht für ein spanisches Vermögen.

Heute 75, damals 33: Fritz Walter siegt im Berner Wankdorf 1954 Foto: taz-Archiv

Zu Atletico Madrid zu gehen, Anfang der Fünfziger, hätte er sich übrigens auch nie getraut. Zu sehr liebte er, zu sehr fürchtete er den Bundestrainer Herberger, den er noch heute nur den „Chef“ nennt. Sepp Herberger, einst Reichs-, danach nahtlos Bundestrainer, verkörperte tatsächlich die adenaueresk-pseudodemokratische Fünfziger-Version des „Führerprinzips“. Der Diktator Herberger lieh die ihm bereitwillig übertragene Allmacht auf dem Spielfeld an Walter aus und balsamierte dem Fritz das schwache Ego unter Zuhilfenahme branchenüblichen Aberglaubens („Fritz, des is' Ihr Wetter!“). Doch erst und allein der Ball machte den Fritz groß.

In beckmannisierter Medienlandschaft hätte er keine Chance gehabt. Daß man Walter heute ein Idol ruft, ist hauptsächlich, wie bei dessen eigenem Idol Schmeling, der Zeit geschuldet. Daß der Landsmann Kohl ihn frech Fritz ruft, jener den Jüngeren devot „Herr Bundeskanzler“ nennt, kein Zufall. Und daß der „Schnuckolino“ seit 47 Jahren mit Frau Italia zufrieden ist, auch nicht. Einer wie er wechselt nicht. Darauf ein Glas Fritz-Walter-Sekt! pu

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