Press-Schlag: Er bleibt. Sicher. Fast.
■ Ist Sean Dundee eine Art Goellner?
Damals, als ein Torpfosten noch aus Holz und die Bundesrepublik zwar sozusagen automatisch für eine Fußball-WM qualifiziert war, trotzdem sich nicht einfach Deutschland nennen durfte; damals, als ein Fußballspieler nach der Karriere sich hinter die Theke einer Lottoannahmestelle verfügte, damals, wir erinnern uns genau, wurden Verträge ausschließlich per Handschlag geschlossen. Einmanneinwort. Daß die Umgangsformen diffiziler würden, deutete sich an, als Heiko Käuflich und Rolf Rüssmann einander vor Gericht trafen: ein Streit um Worte. Nach damals folgt unweigerlich heute: Heute ist's verzwickt, heute ist der Tanz auf Eiern Geschäftsgrundlage, das Gschwurbel nimmt kein Ende. Heute wird der Ball in den Grenzen der Nach-Bosman- Ära gespielt. Man schließt immer noch Verträge. Diese Verträge laufen sogar nicht selten über vier, sechs oder hundert Jahre. Eine lange Zeit, denkt der Laie, der Fachmann aber greift zum Durchschlag des Schriftstücks: Ausstiegsklauseln, Fristen, festgeschriebene Ablösesummen. Papier ist porös.
Es sei sicher, ja sogar „fast sicher“, daß er beim KSC bleibe, druckste Sean Dundee am Samstag nach Spielschluß ins rangehaltene Mikro. Winfried „Engelshaar“ Schäfer versicherte derweil beharrlich, Dundee würde bleiben, er, Dundee, habe sein Wort gegeben. Was ist da eigentlich los?
Dundee unterschrieb beim Karlsruher SC einen Vertrag bis ins Jahr 2003. Einen? Offensichtlich liegen dem Verein und Dundee zwei unterschiedliche Fassungen vor. Die einen meinen, Dundee hätte die Ausstiegsklausel bis zum 30. April kündigen müssen, die anderen, er habe Zeit bis zum 30. Juni. Aber das Dilemma der Daten ist nicht der Knackpunkt, um es fußballdeutsch zu sagen.
Längst hat ein gewisser Dr. Hinderling die Bühne geentert. Er, der sich seit kurzem Sean Dundees Berater nennen darf, hat vor einer Woche die originellste Interpretation, eine durchaus belebende Variante ins absurde Kuddelmuddel von Vertragsmodalitätshandhabungen gebracht. Laut Kicker ist er der Ansicht, daß Dundee dafür, daß er den KSC nicht verläßt, mit einer Erhöhung seiner Gage belohnt werden müßte: „Das Nichtausüben des vorzeitigen Ausstiegs muß schon etwas wert sein.“ Das heißt: Virtuellmäßig dauert bald ein Vertrag ewig, ist aber jederzeit problemlos nichtig. Ohne ansonsten allzuviel Mitleid mit Klubfunktionären zu haben, konnte man irgendwie KSC-Geschäftsführer Klaus Fuchs verstehen, der erwog, den Beratern Dundees, die ein „sektenähnliches Verhalten“ an den Tag legten, Hausverbot zu erteilen. Ist Dundee der Marc-Kevin Goellner des Fußballs? Morgen wissen wir mehr. Übermorgen nichts. Dietrich zur Nedden
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