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Press-SchlagO Wirklichkeit

■ Die Bundesliga wird drei Spieltage alt

Er habe schon vor Jahren gewarnt, sprach der alte Fußballphilosoph. Aber niemand so recht hingehört. Nun sei es soweit: „Die Wirklichkeit liegt jetzt schon vor uns.“ Eine Weisheit wie ein verwandelter Elfmeter per Fallrückzieher. Ja, Bundesliga. Jetzt ist sie schon wieder vor uns herumliegende Wirklichkeit, schon drei Spieltage lang. Fesselt sie uns? Begeistert sie, die Ligawirklichkeit?

Ja gut, will mal so sagen: Schon haben wir hier und da ein „Spiel des Jahres“ überstanden. Wieder sehen wir „Helden“ und „zwei grundverschiedene Halbzeiten“. Schon wieder haben wir gehört von, schreib' ich mal, Siegen, die glücklich, aber nicht unverdient sind, und dem Torhüter, „der vielleicht etwas zu weit vor dem Tor stand“. Und immer wieder gibt es Organe, die all diesen Unfug in aller Ernsthaftigkeit senden oder drucken. O Wirklichkeit.

Auch im TV nix wirklich Neues. Dieter Kürten seibert sich immer seiberiger durchs Sportstudio, Quotine Gaby Papenburg darf weiterhin nur freitags ran, Chefschleimer Beckmann redet noch gekonnter nach dem Mund, und Werner Hanschs doppelbödige Wirklichkeitsaphorismen sind dann am besten, wenn selbst er sie nicht mehr versteht. Applausapplaus. Die Menschen im Studio hauen immer ihre Hände gegeneinander. Auch wenn ein grenzdebiler Otto auf einer Leinwand erscheint und dann von „meinem Freund Placido Domingo“ quallt.

Neues nur vom BVB: Die Ruhrpott-Bayern aus Dortmund haben glücklicherweise nicht mehr das Glück des Vorjahres. Fußballgott des Jahres, J. Kohler, blüht auf: drei Spiele, drei Karten. Muskelkrüppel M. Sammer bleibt dafür so verletzt wie gehabt. Hat was, denn dann macht man keine Fehler wie Letztmannkollege L. Matthäus. Dessen hübsche Ballakrobatik per Hinterkopfbeule ermöglichte Wolfsburgs 1:3. Was nur wird mit ihm nach der OP, dem Beulenschnitt? Bleibt was vom Kopf übrig? Vom Sprachzentrum?

„Die Wirklichkeit liegt jetzt schon vor uns.“ Ja, wirklich, es war Bert Vogts, der große Denker, der das gesagt hat. Was er gemeint hat? Zu viele Ausländer in der Liga! Fremde, Neger und so. So komme, meint der Nationalmannschafts-Nationalist, der Nachwuchs, der deutsche, nicht zum Kick. Und dadurch gehe die Konkurrenzfähigkeit seiner Elite-Elf dahin. Was indes machen die Elite-Elfen anderer Ligen, wo doch überall so viel Fremdstollen herumkicken? Sicher wird da auch ein kluger Vogts vor der Wirklichkeit warnen. Ja, wir wissen: Die Wirklichkeit ist wirklich das Schlimmste, was einem beim Fußball passieren kann.

Jetzt ist erst mal 14 Tage lang Pause, wegen Pokal. Danke, Wirklichkeit, möchte man mal sagen. Bernd Müllender

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