Press-Schlag: Bei den Fans noch einen Stein im Brett
■ In Memmingen übt das Eishockeyteam des DEB erfolgreich für den Deutschland-Cup
„Die Stadt Memmingen liegt doch sehr tief in Deutschland.“ Klaus-Peter Knospe, der PR- Manager des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), ist ein routinierter Formulierer und weiß, wie man kraß klingende Tatsachen mildernd umschreibt. Eigentlich wollte er „am Arsch der Welt“ sagen, um damit den provinziellen Charakter der 40.000-Einwohner- Stadt im Allgäu anzudeuten, in der am Mittwoch das Vorbereitungsspiel auf den heute in München beginnenden Deutschland-Cup gegen Team Canada stattfand.
Eishockeyverrückt ist man dennoch in Memmingen. Vor zwei Wochen sahen 2.500 Zuschauer das Lokalderby gegen den Nachbarn Kempten. Darum boten auch die Übertragungen der Champions League kaum eine Gefahr: die Halle war mit 3.500 Zuschauern so gut wie ausverkauft. Länderspielstimmung mit Blasmusikhymne und großspuriger Ankündigung des amtierenden Weltmeisters. Gemach, gemach – mit den Spielern der ersten kanadischen Garnitur hatten die Männer im Ahorn-Dress soviel gemeinsam wie die Bayern-Amateure mit den Profis. Andy Murray: „18 von den 21 haben noch nie gegen einen Gegner mit solchem Niveau gespielt.“
Natürlich allesamt gute Schlittschuhläufer, natürlich allesamt unermüdliche Kämpfer. Zu den Möglichkeiten und der Wucht einer NHL-Besetzung sind aber noch zirka zwei Ligen Unterschied. Ein nettes Warm- up für die deutsche Nationalmannschaft, sollte man meinen. Zumal sich die Crazy Cannucks im ersten Drittel äußerst zahm gebärdeten und die erste Strafzeit erst nach 15 Minuten fällig war. Das heißt – paradox, aber wahr – nichts Gutes für ein Eishockeyspiel.
Die ersten 45 Minuten wurden dann doch noch „sehr unterhaltsam“, wie es Bundestrainer George Kingston formulierte. Genügend Zeit, die Neuen Christian Gegenfurtner, Markus Krawinkel, Lars Brüggemann auszuprobieren. Und den 34jährigen Augsburger Altpanther Duane Moeser, der sich ob seiner Professionalität, seines mannschaftsdienlichen Spieles und seines Engagements als brauchbare Alternative erwies. Trotzdem stellt sich die Frage: Warum so spät und warum überhaupt? Für Stefan Ustorf eine überflüssige Frage: „Der Duane Moeser ist ein hervorragender Eishockeyspieler. Warum soll er keine Chance erhalten? Das Alter spielt dabei überhaupt keine Rolle.“
Wirklich wahr? Kein Anzeichen dafür, daß es zu wenige gute junge Alternativen gibt? Klaus Merk hat schon so seine Bedenken: „Die Spielergeneration nach denen, die jetzt um die 30 sind, ist mit sehr guten Leuten etwas dünn besetzt.“ Trotz Lars Brüggemann, der mit zwei Toren keinen schlechten Auftritt hatte. Symptomatisch, daß für den jungen Brüggemann in der DEL kein Platz ist. Durch die Vermittlung von Kingston landete er zuerst in Cleveland (AHL) und spielt nun in Jacksonville, Florida. Und hat dort offenbar das Toreschießen gelernt. Kingston meinte dazu: „Bei uns kann jeder Tore machen. Sogar Klaus Merk.“ Eine gutmütige Anspielung auf das halbe Eigentor des Capitals- Keepers, der einen harmlosen Schlenzer zum 2:1 durch die Schoner trudeln ließ.
Aber Torhüter hin oder her, die wahren Sorgenkinder bevölkern den Sturm. Auch ohne Hegen, Doucet und MacKay hatten Leo Stefan, Stefan Ustorf und Jochen Hecht genügend Möglichkeiten, um zu zeigen, daß sie das Tor treffen. Taten sie aber nicht, sondern überließen den Verteidigern die Scorerpunkte. Dem schon erwähnten Lars Brüggemann und Brad Bergen, der mit dem 3:2 zwei Minuten vor Spielende den Feierabend einläutete. Grund genug für die Fans, in Jubel und La Ola auszubrechen. Zweifellos ein schönes Gefühl für die nicht allzu oft gefeierte deutsche Mannschaft und im Grund erstaunlich. Bei all den Querelen, Quengeleien und Querschlägern im DEB und in der DEL hat die Nationalmannschaft bei den Fans immer noch einen Stein im Brett. Sogar im tiefsten Deutschland. Albert Hefele
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