■ Press-Schlag: Und wieder beißt der Terrier zu
Meist kam er aus dem Schatten der Gegner und biß sich hartnäckig fest. Zuerst im Nacken, dann am Trikot und – nach einer sauberen Grätsche – im wunderschönen Gras. Sein Spitzname war Hans-Hubert Vogts, sein richtiger Name Terrier. Sein Beruf: Wadenbeißer. Sein Hobby: Fußballprofi.
Er brachte es auf 96 Länderspiele für Deutschland und schoß zwei Tore. Eins in das richtige (per Kopfball gegen Malta), eins in das falsche (das 0:1 bei der „Schmach von Córdoba“). Mit dem unrühmlichen Eigentor gegen Österreich wechselte er die Fronten. Runter vom Spielfeld, rauf auf die Trainerbank. Der Terrier ließ nicht locker. Die Nationalmannschaft war sein Leben. Das sollte auch so bleiben. Als Spieler wie als Trainer.
Daran konnte auch die verlorene Europameisterschaft 1992 im Endspiel gegen Dänemark nichts ändern. Vogts biß sich fest. Zwei Jahre später, die Nationalmannschaft verlor in den USA im WM-Viertelfinale gegen Bulgarien, war er wirklich kurz davor, zu kapitulieren. Doch Kanzler Kohl sprach ihm Mut zu („Trainer, jetzt mußt du beißen“) – Vogts biß sich abermals fest.
Und im vergangenen Jahr ließ er verlauten, nach der WM in Frankreich sei vielleicht Schluß. Einfach so. Ein Schock. Der Terrier ohne Biß? Und das im WM-Jahr? Ein böses Omen.
Halt! Zum Glück gibt es noch Terriersohn Justin und Terrierfrau Monika. Sie zeigten richtig Biß. Vogts gestand jetzt: „Ich habe in der Winterpause mit meiner Familie über die Zukunft gesprochen.“ Unterm Weihnachtsbaum womöglich? Bei Kerzenschein und „Stille Nacht“? Hand in Hand mit Filius und Frau?
Da plötzlich spürte er dieses Kribbeln, der Jagdinstinkt erwachte in ihm. Und bissig stieß er aus: „Der Aufbau einer neuen Mannschaft ist reizvoll. Ich mache weiter.“ Halleluja! Der Terrier lebt. Und beißt wieder. Heute mehr denn je. Wenn das kein gutes Omen ist. Im WM-Jahr.
Gerald Kleffmann
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