piwik no script img

Press-SchlagDer Elefantenaufstand

■ Eine Oppositionsgruppe beim FC Barcelona will Präsident Núñez stürzen

Josep Lluis Núñez erwartet ein langer Samstag. Wenn heute abend um 20.30 im Camp Nou der FC Barcelona aufläuft, um gegen Erzfeind Real Madrid die Tabellenführung zu verteidigen, wird der Präsident des Clubs seine persönliche Probe bereits überstanden haben. Die 104.000 Vereinsmitglieder sind von 9 bis 19 Uhr gerufen, über ein Mißtrauensvotum gegen den Vorstand zu befinden.

Unter dem Leitspruch „Mitglied, der Club gehört dir, hol ihn dir zurück!“ bläst eine Gruppe von Oppositionellen unter dem Namen „Der Blaue Elefant“ zum Sturm gegen den Vereinsvorstand. Bekanntester Mitstreiter der Núñez-Gegner: Johan Cruyff, der Trainer, der den FC Barcelona zu vier Meistertiteln und einem Europapokal verhalf. Als Núñez den erfolgreichen Niederländer vor eineinhalb Jahren von der Trainerbank verwies, schlug ihm von den Zuschauerrängen massive Kritik entgegen. Viele der Anhänger machten mit Transparenten, Pfiffen und dem Schwenken weißer Taschentücher ihrem Unmut Luft. Ein Bild, das sich nach der gescheiterten Vertragserneuerung des Brasilianers Ronaldo wiederholte.

„Der Elefant ist ein Herdentier, im Gegensatz zum aktuellen Vorstand, der vollständig auf eine Person ausgerichtet ist“, begründet Oppositionssprecher Joan Laporta die Wahl des Symbols. Baulöwe Núñez, der seit 20 Jahren dem FC Barcelona vorsteht, gebärde sich wie ein Diktator. Am unverständlichsten seien die Spielerkäufe. Jüngstes Beispiel: der brasilianische Stürmer Sony Anderson kostete 52 Millionen Mark. Satte 30 Millionen mehr als das, was Ronaldo für eine Vertragsverlängerung gefordert und nicht bekommen hatte. Núñez hatte den Kaufpreis auf 35 Millionen heruntergelogen, doch dank des Blauen Elefanten flog der Schwindel auf.

Als Cruyff entlassen wurde, habe der Kassenwart noch 60 Millionen Mark Gute geschrieben, so die Opposition, jetzt habe der FC Barcelona ein strukturelles Defizit von 50 Millionen Mark. „Núñez' Pläne für die Zukunft haben nichts mit einem Fußballclub zu tun“, beschwert sich der Finanzexperte des Blauen Elefanten, Jordi Moix. Der Präsident will auf dem Clubgelände einen Freizeitpark mit Diskotheken und Restaurants errichten. Außerdem habe er vor, eine Reihe von Gesellschaften zu gründen, die dann an die Börse gehen sollen. „Er und seine Freunde wollen Barça scheibchenweise aufkaufen“, sind sich die Oppositionellen sicher.

6.000 Unterschriften sammelte der Blaue Elefant für das Mißtrauensvotum, 1.400 mehr, als vom Clubstatut gefordert – darunter die Signaturen namhafter katalanischer Künstler und Politiker. Jetzt müssen die Kritiker von Núñez eine Zweidrittelmehrheit erzielen, um vorgezogene Vorstandswahlen zu erzwingen. Während Radio Catalunya bei einer Umfrage 61 Prozent gegen den Präsidenten ermittelt haben will, gibt sich dieser optimistisch und sagt sich selbst 80 Prozent der Stimmen voraus.

Um seinem Glück etwas nachzuhelfen, zieht Núñez für alle Fälle den Trumpf der regionalistischen Ressentiments aus dem Ärmel: „Es ist wirklich traurig, daß diese Herren gemeinsam mit Real Madrid gegen Barcelona Front machen.“ Die Opposition gefährde die Einheit und die Stabilität des Clubs. Die Namenswahl käme ebenfalls nicht von ungefähr. Als am 23. Februar 1981 eine Einheit der Guárdia Civil das Parlament in Madrid besetzte, wartete sie auf einen hohen Militär, der die Geschicke des Landes fortan in die Hand nehmen sollte. Der Mann, der dann lieber nicht im Parlament auftauchte, als sich das Scheitern des Putsches andeutete, trug den Decknamen „Weißer Elefant“.

Wenn der FC Barcelona, wie es in Katalonien immer wieder heißt, „mehr als ein Club“ ist, dann ist Núñez auch mehr als ein Vereinsvorsitzender. Das Mißtrauensvotum kann so natürlich nichts anderes sein als ein Angriff auf die katalanische Nation, und beim Blauen Elefanten handelt es sich um eine Bande von Hochverrätern. Das Weltbild des Josep Lluis Núñez zeichnete sich schon immer durch eine gewisse Einfachheit aus. Reiner Wandler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen