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Press-SchlagMarion Jones schaut weg

■ Beim Berliner Istaf treibt IAAF-Präsident Nebiolo seine Angestellten nach Moskau

Für Primo Nebiolo ist die Sache „wie immer im Leben“. „Wir haben jetzt Preisgeld für die Besten“, sagt der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, „in Deutschland gibt es auch Leute, die mehr, und Leute, die weniger verdienen.“ Nun ja: Nebiolos Interesse gilt bekanntlich immer den Besten, seien das Athleten, die ihm publikumswirksame Weltrekorde liefern, oder Hotels, in denen er die Suite belegen kann.

Mal ganz abgesehen davon, daß das mit der Publikumswirksamkeit mit einem Pay-TV-Vertrag ein echtes Problem ist: Andere wie der Sprintweltmeister Ato Boldon (siehe nebenstehendes Interview) halten Nebiolos Streben nach einem Superzirkus mit dauerverpflichteten Helden für elitären Sozialdarwinismus.

Die sieben Golden-League- Meetings bezahlen schon gut. Allerdings hauptsächlich jene 25 Topathleten, die die IAAF exklusiv an die Serie gebunden hat. Die Sieger der Gesamtwertung (50.000 Dollar) und Einzelevents (15.000 Dollar), die Golden-League-Status haben, verdienen auch nicht schlecht. Für einen achten Platz aber gibt es gerade noch 1.000 Dollar. Manche Athleten kriegen nichts und müssen ihr Flugticket selbst bezahlen.

Berichtet haben möchte Nebiolo aber natürlich über jene Helden, die nach dem Istaf noch im Rennen um den von Nebiolo ausgelobten Jackpot von einer Million Dollar sind: es sind die Sprinterin Marion Jones, die auch im Olympiastadion der Konkurrenz davonflog (10.81 sec), der 400-m-Hürdler Bryan Bronson, Hicham El Guerrouj (1.500 m) und natürlich Haile Gebresilasie, der die 5.000m (12.56,52 min) gewann.

Auch Gebresilasie hält die Golden League längst für „keine richtig gute Idee“; sieben Langstreckenrennen seien „zuviel“. So wie er sich anhörte, wird er zwar am Samstag beim Finale in Moskau seinen Anteil an der Million mitnehmen, im nächsten Jahr aber wohl keinen Vertrag mehr unterschreiben. Lieber „etwas Besonderes über 10.000m“ probieren – vermutlich einen Weltrekord von bisher ungeahnten Dimensionen.

Berlin hat am Dienstag übrigens Spaß gemacht. Es war nicht kalt im Olympiastadion, höchstens kühl. Trotz Gabriela Szabos Europarekord über 5.000m (14.31,48 min) war aber schon ein schwerer Hauch von Müdigkeit zu spüren.

Schluß ist aber immer noch nicht: Nebiolo treibt seine Athleten nach Moskau und möchte die Sorgen, vor allem die der US-Athleten wegen der Krise in Rußland, nicht teilen. „Wenn der Präsident der USA hinfahren kann“, schnarrte er, „verstehe ich nicht, warum manche Athleten es nicht können sollten.“ Keine Sorge: Bryan Bronson, Hicham El Guerrouj und Gebresilasie kommen auf jeden Fall. Für diesmal. Marion Jones auch.

Als Primo Nebiolo aus dem Berliner Presseraum schlich, stand seine beste Angestellte einen Moment 50 Zentimeter vom ihm enfernt. Wahrgenommen hat er sie nicht. Jones schaute auch weg. pu

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