Press-Schlag: Permanent Karfreitag
■ Die kriselnde Handball-Bundesliga muß heute klären: Steigt nicht mal der Letzte ab?
Mitte März war die Angelegenheit für Uwe Sternberg noch ziemlich klar. Sollte der schlimmste Fall der Fälle doch noch eintreten und eine Mannschaft sich aus der Bundesliga abmelden, so tat das der Männerspielwart des Deutschen Handball Bundes (DHB) damals jedenfalls kund, hätte sich die Sache mit dem Bundesligaabstieg so gut wie automatisch erledigt. Besagtes Team würde nach Rundenende auf den letzten Tabellenrang strafverbannt, der eigentlich Letztplazierte dürfe an der Relegation mit den beiden Zweitligazweiten teilnehmen.
Ausgerechnet am Karfreitag trat der GAU tatsächlich ein. Im Saarland, wo Rückzüge en vogue sind, gab Rudi Hartz Bitteres preis: Der TV Niederwürzbach, Euro-City-Cup-Sieger 1995, deutscher Vizemeister '93 und '95, werde sich nach Saisonende zurückziehen aus Liga eins. „Aus seriösen und kaufmännischen Gesichtspunkten“, womit zweifelsohne jene Million gemeint war, die dem Dorfverein fehlte, um seinen mit 3,5 Millionen Mark angegebenen Saisonetat zu decken.
Was laut Sternbergs Worten (siehe oben) folgendes zur Folge haben müßte: Niederwürzbach, momentan Rangfünfter, wird nach Saisonende auf den hintersten Platz versetzt, der derzeitige Letzte TuS Schutterwald rückt um einen Rang vor und erhält in der Relegation eine weitere Chance im Kampf um den Klassenerhalt.
Das Dumme für die Schutterwälder nur ist, daß diese Version von den Zuständigen in DHB und Ligaauschuß keiner mehr so richtig bestätigten möchte, auch deshalb, weil ganz offenbar Stimmen laut geworden sind, aus dem Kreis der Zweitligisten. Die fordern mindestens einen sportlichen Absteiger, schon weil dadurch der Weg nach oben für die Zweitligazweiten freigemacht würde – und zwar ganz ohne Aufstiegsspiele. „Das würden wir natürlich begrüßen“, sagt naturgemäß Hans Cleiß, Vereinschef des TV Willstätt, derzeit Zweiter der zweiten Liga Süd.
Begehrlichkeiten, die auch bei DHB-Spielleiter Stemberg mittlerweile zu Zurückhaltung geführt haben. „Ich weiß nur, was ich denke“, formuliert der mit einem Hauch von Philosophie, „aber ich sage es Ihnen nicht.“ Schließlich wolle sich am heutigen Freitag abend der Ligaausschuß abschließend mit dem heiklen Thema beschäftigen, öffentlich vorgreifen möchte dessen Entscheidung niemand, zumal noch eine Bewertung des Falls durch den DHB-Rechtswart aussteht.
Daß das ganze Gezetere ausgerechnet kurz vor Aufstockung der Bundesliga geschieht, wirft allemal die Frage auf, ob es wirklich Sinn macht, ab nächster Runde 18 statt bisher 16 Klubs in Liga eins an den Start zu schicken. Schließlich ist Niederwürzbach kein Einzelfall, auch andere Klubs gehen ein nahezu unkalkulierbares finanzielles Risiko, um sich jenes Personal zusammenkaufen zu können, das ein Mitwirken in der stärksten Handballiga der Welt garantiert. „Man könnte in der Tat zu der Frage neigen, ob es genügend Vereine gibt, die die Wirtschaftskraft für die erste Liga haben“, gibt selbst Heinz Jacobsen zu, der Vorsitzende des Ligaausschusses. Auf der anderen Seite bringe die von den Vereinen befürwortete Aufstockung zwei zusätzliche Heimspiele – und damit Mehreinnahmen.
Überhaupt, so findet Jacobsen, müsse „das Pferd von der anderen Seite aufgezäumt“ werden. „Die Vereine müssen sich darauf besinnen, das auszugeben, was sie zur Verfügung haben“, sagt der Ligaausschußvorsitzende, wohlwissend, daß dies für die meisten Klubs ein „Drahtseilakt“ bleiben wird. „Ich hoffe, daß da Vernunft einkehrt“, sagt Jacobsen. Schon weil unvernünftige Drahtseilakte bisweilen mit tiefem Fall enden. Frank Ketterer
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