Press-Schlag: Dahin ist der Nimbus der Unverwundbarkeit
■ Bayern Münchens Pokalschlappe gegen Werder Bremen belebt die Konkurrenz
Kein Zweifel, die Erfolgsbilanz der Münchner Bayern ist in der nächsten Saison noch ausbaufähig. Nun auch national. Aus dem potentiellen Triple wurde in Barcelona ein wahrscheinliches Double, am Samstag reduzierte sich die Sache beim Pokalfinale in Berlin auf ein schnödes Simple: die Meisterschaft. Deren Gewinn war nach Meinung aller Beteiligten aber schon nach der Hinrunde und dem rauschenden Sieg im Münchner Olympiastadion gegen Bayer Leverkusen perfekt. Mit anderen Worten: In den letzten sechs Monaten hat Bayern München nix gewonnen.
Nicht, daß der DFB-Pokal tatsächlich das vielbeschworene Trostpflaster für den in letzter Minute an Manchester United verlorenen Europacup gewesen wäre, doch ihn nicht geholt zu haben schmerzt empfindlich. Die besten Bayern, die es je gab, das Wunderteam des neuen Jahrtausends, das erst die Liga und dann Europa so souverän zu beherrschen schien, die messianische Verheißung des deutschen Fußballs, ist plötzlich wieder auf die Erde herabgestiegen und prompt ans Kreuz genagelt worden.
Okay, Manchester, das ging ja noch – tolle Mannschaft, sagt sogar Beckenbauer, außerdem Riesenpech. Aber Werder Bremen? Ein Team, das man längst abgehakt hatte, ein Fossil aus einer Ära, als die Trainer noch Lattek, Heynckes oder gar Ribbeck hießen, ein Fast-Absteiger, den man normalerweise im Vorbeigehen „abschießt“, wie es Manager Uli Hoeneß so liebevoll ausdrückt? Das tut weh, und es bleibt nicht ohne Folgen. Die wechselseitigen Schuldzuweisungen nach dem verlorenen Champions-League-Finale ließen erkennen, daß es mit der vielgelobten neuen Harmonie an der Isar erst mal vorbei ist, das „Mißerfolgserlebnis“ (Trainer Ottmar Hitzfeld) von Berlin hat da gerade noch gefehlt. „Mein Bedarf an Endspielen ist gedeckt“, stöhnt Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge jedenfalls genervt.
Ein „Zwischentief“ räumt auch Hitzfeld mit gefurchter Stirn ein, und man sieht ihm an, wie sehr er es satt hat, anderen Mannschaften dazu zu gratulieren, daß sie ihm schon wieder eine Trophäe weggeschnappt haben. Anstatt „die ersten Schritte zu machen nach der Niederlage von Barcelona“, fiel man kräftig auf die Nase, und daß es mit Stefan Effenberg und Lothar Matthäus ausgerechnet zwei Reizfiguren der letzten Zeit waren, welche die entscheidenden Strafstöße vergeigten, macht es nicht einfacher. Matthäus, vor 15 Jahren bei Borussia Mönchengladbach schon mal Pokalelfmeterversager, wirkte, als wäre er am liebsten schon ganz weit weg. „Im Fußball gibt es Gewinner und Verlierer“, dozierte der 38jährige, „heute waren wir die Verlierer.“ Ein Wort, das die Bayern schon aus ihrem Vokabular gestrichen hatten und an das sie sich vielleicht wieder gewöhnen müssen. Der Nimbus der Unverwundbarkeit jedenfalls ist, Werder sei Dank, dahin.
„Wir werden die Gejagten sein“, schwant Hitzfeld vor dem Start in die neue Saison, „jedes Jahr beginnt bei Null.“ Positiver drückt es Uli Hoeneß aus: „Der FC Bayern hat wieder Ziele.“ Endspiele, darf man, Rummenigge zum Trotz, vermuten. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen