■ Press-Schlag: Auf zum letzten Gefecht Mönchengladbach bald in der Kreisliga
Früher oder später kommt man bei Borussia Mönchengladbach, dem Nostalgie-Synonym des deutschen Fußballs, immer auf das Früher zu sprechen. Also machen wir es gleich vorneweg. Früher also, zur Fohlen-Ära, wehte am Bökelberg mit Netzers Blondhaar der Geist der Utopie. So hieß es immer. Mittlerweile sind Netzers Haare leicht, sein angeblich revolutionärer Anspruch komplett gestutzt: Nie habe er aufmucken wollen, spricht Netzer heute, er sei doch „bloß ein Provinzfürst“ gewesen. Niederrheinischer Niederadel also. Und eben: früher.
Heute, da die Borussen punktlos auf den letzten Platz der 2. Liga durchgereicht worden sind, sollen völlig neue Kräfte helfen: Sozia- statt Feudalismus. Denn Hans Meyer, ehemals Karl-Marx-Stadt, kam als Nachfolger des Niederlagenrekordtrainers Rainer Bonhof und ließ bei seiner Vorstellung die Katholikenstadt erbleichen: „Ich bin von Haus aus Kommunist.“ Erste Folge: Am Tag darauf suchte Niedergangs-Präsident Wilfried Jacobs ohne Vorwarnung das Weite. Und wenn's halt hilft: In Gladbach würden sie derzeit auch den Leibhaftigen als Coach akzeptieren. Oder Berti Vogts.
Auf zum letzten Gefecht also am Samstag gegen Aufsteiger Alemannia Aachen. 34.000 Zuschauer. Wie früher. Aachens Fans füllten den Bökelberg fast zur Hälfte, übten ihre Schmähgesänge: „Mythos, wir hören nichts“, und hinterließen eine ganze Stadt in einer Stimmung, gegen die ein Staatsbegräbnis eine rauschende Raver-Party ist. Aachen gewann hochverdient mit 2:1. Nicht einmal Torchancen-Ansätze fabrizierte die einstige Torfabrik. Unfassbar einfallslos trotz (wegen?) Toni Polsters Rückkehr. Ein beschämendes Wrack von Mannschaft, trotz (wegen?) über einem Dutzend erstligaerfahrener Kicker. Uninspirierter, grotesker kann man nicht mehr Fußball spielen. Hunderte ZuschauerInnen saßen lange nach dem Abpfiff da, starrten nur vor sich hin oder schafften sogar Kopfschütteln. Dem Kommunismus geht es, global gesehen, nicht sonderlich gut. Der Borussia noch deutlich schlechter. Hans Meyer: „Da war aber auch gar nichts von spielerischer Linie zu sehen.“ Und, verschmitzt grinsend: „Der Trainerwechsel ist gründlich daneben gegangen.“
Wat nu? Soll uns jucken, dass Stuttgart niedergeht, Ulm zu siebt das Spiel beendete, Hamburgs Präger immer alberner wird? Dass Sprinter Maurice Greene im „Aktuellen Sportstudio“ beim Torwandschießen eine Kamera zerballerte und sich wunderbar schlapp lachte? Nein, unsere wahre Anteilnahme gilt der Borussia. Auch Aachens Albaner Clirim Bashi sagte nachher: „Arme Gladbacher. So weit unten. Stolze Mannschaft. So schade.“ Ja, selbst die Skipetaren leiden mit. Später wusste ein Fan Trost: „Schämen muss man sich. Aber immerhin waren wir ein Jahr länger in der Bundesliga als die Kölner.“ Tja, so nah ist in Gladbach das Früher. Bald, mit und ohne Kommunist Meyer, nur noch früher. Schon 2007 könnte man in der 3. Kreisklasse sein. Bernd Müllender
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