Press-Schlag: „Verstehen unwichtig“
■ Lustiges Losen und Setzen, Zuordnen und Wegordnen bei den Champions
Es ist einfach. Und doch so schwer. 16 Elfen hatten sich qualifiziert für die Champions-League-Zwischenrunde, die der soeben absolvierten Champions-League-Vorrunde nachfolgt und ergeben soll, wer in die Champions-League-Viertelfinalrunde einziehen darf, die dann . . . Gestern Mittag die Auslosung in Genf. Simple Aufgabe: Du hast 16 Teams und musst sie in vier Gruppen schaffen!
Nur wie? Am Anfang stehen viele Worte. Uefa-Generalsekretär Gerhard Aigner erklärt, wie einfach alles ist, mit den Töpfen, aus denen sie kleine bunte Bälle herauszupicken beabsichtigen. Da sei ein Topf mit den vier Gruppensiegern, die die höchsten Uefa-Koeffizienten haben, genauer drei plus Manchester United als Titelverteidiger. Dann der Gruppensieger-Resttopf und die zwei Gruppenzweiten-Töpfe.
So weit, so klar. Aber: Man habe so vieles zu beachten. Etwa, dass keine zwei Mannschaften zueinander finden, die schon miteinander zu tun hatten, dann keine zwei aus gleichen Landen, und zu bedenken gebe es auch noch, dass nicht zwei Teams aus einem Land am gleichen Tag spielen (was bei einer erfolgreicheren Nationen als Deutschland wie etwa Spanien indes schwer fallen wird bei nur zwei Spieltagen). Und dann gebe es noch „Abmachungen mit den zuständigen Fernsehgesellschaften“.
Wer das nicht gleich verstehe, so Aigner, für den habe „unser Freund, der Computer“ mögliche Gruppen und nicht mögliche Gruppen an der Anzeigetafel „durch grüne Bälle und durch Kreuze symbolisiert“. Überraschend kühn die These, dass dennoch „vielleicht tausend Möglichkeiten für jedes Team“ vorhanden wären.
Neben den vier Töpfen, die „Pot I bis IV“ heißen, sind ebenso viele assistierende Unter-Funktionäre zugegen, leider ohne Namensschildchen „Funktionär I–IV“. Einzig Gerhard Selbherr, der deutsche DFB-Oberfunktionär aus den Pokal-Auslosungsprozeduren, hätte noch mehr herben Charme hinzufügen können.
Dann wird tatsächlich gelost. Chelsea wird gezogen und gleich wird's kompliziert, denn die dürfen nicht auf den Dienstag und nicht zu Manchester. Und sie kriegen D. Also wüssten wir, heisst es, Chelsea spiele mit Lazio. Wir akzeptieren. Deutsche sind nur im dritten und vierten Topf: Das Bayern-Kügelchen hüpft gleich heraus und kommt – warum? – ins Mittwochs-Madrid-C. Liegt es am Wochentag? „Wichtig ist nicht, dass wir das alles hier richtig verstehn“, flüstert Aigner verständnisvoll.
Hertha wird gleich aus Pot IV gefischt und uns ist klar: kein Mittwoch, keine Bayern, kein Chelsea. Also gleich ab zum FC Barcelona, weil nur die Katalanen Bayern-mittwochs-Altgegner-frei sind.
Dann ist alles verteilt (siehe Spalte rechts), aber ein schöner Knüller folgt noch: Da erstmals aus Terminnot auch im Winter gespielt wird (ab 23. 11.), Kiew und Rosenborg dann aber womöglich tiefgefroren sind, werden sie heimspielbefreit. Doch, oh Schreck: Rosenborg und Kiew sind in einer Gruppe! Mit den Bayern übrigens: Haben die Münchner jetzt nur Heimspiele? Müssen sie, wenn es schneit, gegen sich selbst spielen? Aigner weiß Rat: „Jetzt wird der Computer die Mannschaften durchmischen“, damit die Spieltage feststehen. Doch nichts passiert mehr. Alle warten. Überfordert die Uefa auch modernste Rechner? Pause. Abgang aller im Saal. Wir bleiben rat- und terminlos zurück. Bis viel später herauskommt, dass die Bayern am 24. 11. in Rosenborg spielen. Sicher haben die League-Bonzen noch schnell einen Millionen-Ausrüstervertrag mit fußballerwärmender Skikleidung abgeschlossen.
Als dann die Uefa-Cup-Spiele tatsächlich richtig gelost werden, denken wir noch einmal an ARD und ZDF. Sie können mit den Begegnungen der Deutschen ihre Quoten pushen, immerhin zehn Spiele. Aber wie mögen deren Offizielle bei den Bayern- und Hertha-Dramen am Mittwoch gefühlt haben? Haben sie deutsch mitgezittert? Oder betriebswirtschaftlich kühl den Gegnern die Daumen gedrückt? Damit sie vielleicht die Bayern in ihre Programme bekommen und diese übermütigen tm3ler ausgeblutet wären. Man hätte doch so schön höhnen können: „Dem ehemaligen Frauensender bleibt nur die Hertha.“ Bernd Müllender
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