: Premiere: Bremen schiebt in den Iran ab
■ Flüchtling in Handschellen nach Teheran geschickt / Innensenator vollzieht die Abschiebung
Nun ist es passiert: Gestern morgen wurde der erste iranische Flüchtling aus Bremen in seine Heimat abgeschoben. Damit hat der Innensenator seine Line der vergangenen Wochen verlassen, nach der vor jeder Abschiebung zuallererst neue Erkenntnisse über die Lage der Menschenrechte im Iran gesammelt werden sollten. Davon wollte die Innenbehörde gestern nichts mehr wissen. Arsalan Ahadi-Bonab wurde gestern mittag von der Bremer Abschiebegruppe der Polizei in ein Flugzeug nach Teheran gesetzt – und weder sein Anwalt, noch die eilends eingeschaltete Senatorin für Ausländerintegration konnten die Abschiebemaschinerie stoppen.
Vor knapp zwei Wochen war Ahadi-Bonab verhaftet worden. Mit einem Mitbewohner aus einer Sammelunterkunft in der Innenstadt war er zur Ausländerbehörde gegangen, um seine Aufenthaltserlaubnis verlängern zu lassen. Arglos – schließlich hatte seine Anwältin einen Asylfolgeantrag gestellt, und der lief noch. Was er nicht wußte: Seine Rechtsvertreterin hatte nicht dafür gesorgt, daß seine drohende Abschiebung während des Verfahrens ruhen sollte. Der Sachbearbeiter beim Ausländeramt bat Ahadi-Bonab höflich, doch ein paar Minuten zu warten. Dann kam die Polizei. Seitdem saß er im berüchtigten Abschiebeknast in der Ostertorwache.
Ahadi-Bonab hatte schon einmal einen Asylantrag gestellt, nachdem er im Mai geflüchtet war. Den hatte er aber zurückgezogen. Aus gutem Grund: Nach seiner Flucht hatten die islamischen Milizen seine Familie schwer unter Druck gesetzt. Da wollte Ahadi-Bonab lieber selbst leiden. Dankend nahm das Asyl-Bundesamt den Rückzieher an. Nur Ahadi-Bonabs Familie nicht: Er solle das bloß nicht tun, telefonierte die Verwandtschaft nach Bremen. Sobald er zuhause sei, würde er verhaftet. Das wollten sie nicht. So stellte der Flüchtling mit heftigen Gewissensbissen einen Asylfolgeantrag – und wurde verhaftet.
Bislang bakamen AsylbewerberInnen aus dem Iran mindestens eine Duldung in der Bundesrepublik. Das hat sich geändert. Ab jetzt kann abgeschoben werden. Das Bundesinnenministerium ist der Auffassung, daß die Menschenrechte im Iran längst nicht so verletzt würden, daß alle Flüchtlinge geduldet werden müßten. Das sieht die grüne Bremer Ausländerintegrations-Senatorin ganz anders. Deren Argumentation: Schon die Flucht und der gestellte Asylantrag reichen aus, um im Iran verfolgt zu werden. Das war genau die Frage, die der Bremer Innensenator prüfen lassen wollte. Vor knapp zwei Wochen hatte eine Sprecherin des Innenressorts anläßlich eines vergleichbaren Falles noch gegenüber der taz erklärt, sie habe beim Auswärtigen Amt angefragt, wie ehemalige Asylbewerber im Iran behandelt würden. Die Antwort darauf scheint dem Innensenator im Fall Ahadi-Bonab Wurscht gewesen zu sein. „Die Anfrage galt für andere Fälle“, sagte gestern die Sprecherin der Innenbehörde lapidar.
Am späten Abend vor der Abschiebung hatte das Bremer Verwaltungsgericht den Asylfolgeantrag des Iraners abgelehnt. Eilends gestellte Anträge von Karim Popal, der als Anwalt den Fall während der Knastzeit des Iraners übernommen hatte, hatten die Verwaltungsrichter vom Tisch gewischt. Dann ging alles Ruck-Zuck. Der erste Iraner aus Bremen, einer der ersten in der Republik.
Im Hause Trüpel hat die Abschiebung Überraschung hervorgerufen. Offensichtlich war weder die Seantorin noch die Ausländerbeauftragte auf die Bremer Abschiebepremiere vorbereitet worden. „Ich wußte überhaupt nichts“, sagte Helga Trüpel, nachdem sie gestern abend von einer Reise durch die Bremerhavener Ausländervereien zurückgekommen war. Ihr Ausländerreferent Mathias Güldner hatte sich während des Tages vergeblich um Ahadi-Bonab bemüht. Große Sorge herrscht nun beim Rat der Iranischen Flüchtlinge: „Das ist sehr sehr gefährlich“, sagte gestern Djafar Khosravi. „Über 20 Leute stehen auf der Abschiebeliste. Schreiben Sie das ruhig: In Bremen hat wieder eine Kristallnacht stattgefunden.“
Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen