Preisverleihung der Deutschen Welle: Blog Awards mit Papp-Borat
Am Donnerstag Abend wurden die besten Weblogs geehrt. Passend zu den Themen Menschenrechte und Meinungsfreiheit durften einige Gewinner nicht aus ihrem Land ausreisen.
Pornoschnauzer, Sonnenbrille und aus dem Polohemd quellendes Brusthaar: Es ist kein Zufall, dass der lebensgroße Pappaufsteller vor der Berliner Tür an den fiktiven kasachischen Reporter Borat erinnert. Dahinter, im Museum für Kommunikation, vergab die Deutsche Welle am Donnerstag Abend die BOBs, eine Auszeichnung für die besten Blogs, vor allem solche, die sich besonders verdient gemacht haben um Meinungsfreiheit und Menschenrechte.
Der Pappkamerad vor der Tür steht, wie auch die BOBs, für Bürgerjournalismus: Um seinen Hals baumelt an einer Schnur ein Mobiltelefon, die mächtigste Waffe dieser neuen Generation von Reportern. Wie Borats Heimatland Kasachstan begegnen auch dem Bürgerjournalismus die meisten hierzulande mit Vorurteilen und Klischees, dokumentieren sie doch statt knallharten Fakten häufig Alltagsszenen, Zwischenmenschliches, Banales. In Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit dagegen decken Blogger und Handyfilmer Korruptionsfälle auf, kämpfen für Meinungsfreiheit – und werden dafür nicht selten von der Polizei unter Druck gesetzt.
Dementsprechend ist die Stimmung bei der Preisverleihung auch gleichzeitig ernst und hoffnungsvoll: Einerseits leben die Preisträger in ständiger Gefahr, sie sind im Kampf mit ihren Regierungen. Andererseits wächst hier eine ganze Generation heran, die durch neue technische Mittel untereinander vernetzt ist und das beste daraus macht. Die BOBs erinnern an eine Klassenfahrt des internationalen Bürgerjournalismus. Wer hier einen Preis gewinnt, wird in der Regel zuhause als Dissident behandelt. Und so konnten im schicken Ambiente des Kommunikationsmuseums auch nicht alle anwesend sein, die hierher gehört hätten.
Yoani Sanchez, kubanische Bloggerin (Bestes Weblog: „Generacíon Y“) musste per pixeliger Videonachricht zugeschaltet werden. Dem chinesischen Jurymitglied Shuguang Zhou wurde die Ausreise aus China verweigert. Bloggen steht in restriktiven Ländern für Widerstand gegen die Staatsgewalt: Das iranische Blog „4equality“ wurde insgesamt 17 Mal verboten, 48 Personen aus seinem direkten Umfeld wurden schon verhaftet. 4equality wurde mit dem Reporter-ohne-Grenzen-Preis ausgezeichnet, der dieses Jahr gleich zweimal vergeben wurde und auch das Blog der Chinesin Zeng Jinyan auszeichnet. Die Bloggerin beschreibt ihr Leben unter der ständigen Überwachung durch die chinesischen Behörden während ihr Mann, Menschenrechtler Hu Jia, inhaftiert ist.
„Blogger und Internet-Dissidenten setzen sich in vielen Ländern für die Presse- und Meinungsfreiheit ein, während andere Medien in diesen Ländern schweigen oder schweigen müssen“, sagt Jean-Francois Julliard von Reporter-ohne-Grenzen. Nicht einfach zu schweigen, dazu gehört neben Mut auch die Möglichkeit sich öffentlich zu äußern. Deshalb stattet „Voices of Africa“ (Bestes Videoblog) Menschen in mehreren afrikanischen Ländern mit internetfähigen Telefonen aus und macht sie so zu Bürgerjournalisten. Über ihre Telefone können die Alltagsszenen dokumentieren oder journalistische Beiträge auf dem Blogportal veröffentlichen.
Wie wichtig Blogs sind, beschreibt der kongolesische Journalist Cédric Kalonji Mfunyi, der 2007 von der Deutschen Welle für den besten französischsprachigen Blog ausgezeichnet worden ist: „Der Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Kulturen fördert das gegenseitige Verständnis. Zudem erleichtern die neuen Kommunikationsmittel den Zugang zu wichtigen Informationen, die vielen Afrikanern bislang verwehrt blieben.“
Leider helfen all die Kommunikationsmittel nichts, wenn die Gespräche an Sprachbarrieren scheitern. Als Mfunyi sichtlich gerührt über den Tod zweier enger Freunde sprach und zu seiner Muttersprache Französisch wechselte, sprang Moderator und Spreeblick-Blogger Andreas Schepers noch spontan als Übersetzer ein. Als das Team des Neofeminismusblogs „Mädchenmannschaft“ überrascht den Preis für Bestes Deutschsprachiges Blog in Empfang nahm und sich auf deutsch bedankte, machte sich niemand die Mühe einer Übersetzung.
Vielleicht ist es ja gerade ein gutes Zeichen, dass Blogs nicht unbedingt weltweit verstanden werden müssen. Manchmal genügt es, wenn wenige Menschen sie lesen, solange es die richtigen sind. Ansonsten bleibt ja immer noch das Fotoblog, gefüttert per Mobiltelefon. Man muss das Telefon ja nicht wie Papp-Borat um den Hals tragen.
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