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Prävention In Ganzheit

■ „Strukturelle“ Prävention: Deutsche Aids-Hilfe und Aids-Hilfe der DDR stellten gestern Vorsorgekonzept vor / Kritik an geplanter Übernahme des 175er

West-Berlin. Anläßlich des bevorstehenden Christopher Street Day stellten die Deutsche Aids-Hilfe und die Aids-Hilfe DDR auf einer Pressekonferenz ihr Konzept einer „strukturellen“ Prävention vor.

Beide Organisationen kritisierten die geplante Übernahme des bundesdeutschen Sexualstrafrechts in der Noch-DDR. Die damit verbundene Einführung des Strafgesetzbuch-Paragraphen 175 wirke sich auch kontraproduktiv auf Aids -Bekämpfungsstrategien aus, da die Hauptbetroffenengruppe in der DDR kriminalisiert würde. Für Hans-Peter Hauschild vom Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe bedeutet „strukturelle“ Prävention auch die Schaffung einer rechtlichen Basis, in der der Staat keine Angst vor der Unterschiedlichkeit seiner Menschen hat. Dieser Anspruch an einen deutschen Gesamtstaat orientiert sich laut Hauschild am Lebensweisenkonzept der WHO, aber auch an dem Entwurf des Runden Tisches zu einer Verfassung der DDR, der ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung vorsieht.

„Strukturelle“ Prävention bedeute parteilichen Einsatz für Hauptbetroffenengruppen, die Stärkung der sozialen Umfelder und Subkulturen von Drogenbenutzern, Prostituierten und Schwulen. Zunehmend steht auch der Bereich der Versorgung von Langzeitkranken im Vordergrund. Diese als tertiäre Prävention bezeichnete Versorgung von Aids-Kranken geschieht sowohl auf freiwilliger Basis nach Feierabend als auch professionell. Das Konzept der „strukturellen“ Prävention bedeutet eine Konzentration auf die tatsächlichen Hauptbetroffenengruppen, deren Lebenssituation in ihrer Ganzheit gesehen werden sollen. Für die Aids-Hilfen ist die Zeit vorbei, wo Aufklärung sich an der Gesamtbevölkerung orientierte und dementsprechend unspezifisch war.

Klaus Lucas

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