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Präsidentschaftswahlen in NicaraguaOrtega kauft das Herz der Armen

Verfassungsmanipulationen und undurchsichtige Sozialprogramme: So betreibt der Sandinistenchef seine Wiederwahl an diesem Sonntag.

Will am kommenden Sonntag ein weiteres Mandat als Präsident: Daniel Ortega. Bild: dpa

SAN SALVADOR taz | In Yalagüina, einem Dorf im Norden von Nicaragua in einer traditionell vernachlässigten Hungerzone, steht ein blendend weißes neues Gebäude: das Gesundheitszentrum. Die kleine Klinik ist rund um die Uhr besetzt, Behandlung und Medikamente sind gratis.

Viele Kleinbauern in der Gegend haben von zwei weiteren Sozialprogrammen der sandinistischen Regierung profitiert. 136.000 Urkunden über Landbesitz hat Präsident Daniel Ortega, 65, in seiner Amtszeit verteilt. 75.000 Familien bekamen Saatgut, eine Kuh, ein Schwein und ein paar Hühner.

Rund die Hälfte der 5,8 Millionen Nicaraguaner lebt von weniger als zwei US-Dollar am Tag. Lange nicht alle dieser Armen wurden von einem Sozialprogramm erreicht. Wer noch nichts bekommen hat, dem bleibt die Hoffnung, als Nächster an der Reihe zu sein. Dazu aber muss Ortega weiterregieren und am Sonntag wiedergewählt werden.

Dass die Verfassung eigentlich die direkte Wiederwahl eines Präsidenten verbietet und man den Urnengang folglich als Teil eines technischen Staatsstreichs von oben bezeichnen könnte, spielt angesichts der Armut eine untergeordnete Rolle.

Glaubt man den jüngsten Umfragen, wollen 48 Prozent der Wähler am kommenden Sonntag Ortega ihre Stimme geben. Zweiter in ihrer Gunst ist der rechte Radiounternehmer Fabio Gadea, 79, dem 30 Prozent prognostiziert werden. Gadea vertritt die Unabhängige Liberale Partei, eine Abspaltung der Konstitutionalistischen Liberalen Partei von Expräsident Arnoldo Alemán, 66.

Überraschung Galea

Der dümpelt mit einem Umfrageergebnis von 11 Prozent auf dem dritten Platz. Gemeinsam mit Ortega hatte Alemán zwei Jahrzehnte lang die Politik des Landes dominiert. Jetzt scheint die Zeit des korruptesten aller nicaraguanischen Präsidenten endgültig abgelaufen zu sein.

Gadea ist die eigentliche Überraschung dieser Wahl. Außerhalb Nicaraguas erinnert sich kaum jemand an den Besitzer des Radiosenders Corporación, der in der Zeit der sandinistischen Revolution (1979 bis 1990) ein Sprachrohr der US-finanzierten rechtsradikalen Contra-Guerilla war. In Nicaragua kennt ihn jedes Kind. Denn Gadea ist auch der Schöpfer der populären Kunstfigur Pancho Madrigal, eines schlitzohrigen kleinen Bauern, dessen wundersame Geschichten seit bald dreißig Jahren als Serie über seinen Sender laufen. Gadea verspricht mit der Korruption aufzuräumen. Das so gewonnene Geld reiche aus, um Arbeit zu schaffen und die Armut zu überwinden.

Aller Voraussicht nach wird die Wahl bereits im ersten Durchgang entschieden. Nach dem nicaraguanischen Gesetz reichen dem Erstplatzierten 40 Prozent für den endgültigen Sieg, ersatzweise auch 35 Prozent und ein Vorsprung von mindestens fünf Prozentpunkten vor dem Zweiten. Bleibt das Problem des Verbots der direkten Wiederwahl.

Seit dem Beginn seiner Amtszeit im Januar 2007 hat sich Ortega darum bemüht, den entsprechenden Artikel aus der Verfassung zu streichen. Doch das Parlament verweigerte ihm die dazu nötige Mehrheit. Also wies der Präsident im September vergangenen Jahres das von ihm kontrollierte Verfassungsgericht an, das Wiederwahlverbot für "unanwendbar" zu erklären - was immer das bedeuten mag. Aber Ortega ist Kandidat und wegen seiner Sozialprogramme bei den Armen beliebt.

Finanziert werden diese Zuwendungen nicht etwa aus dem Staatshaushalt, sondern fernab von öffentlicher Kontrolle. Das Geld kommt von Petrocaribe, einem vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez geschaffenen Programm, über das Öl und Benzin zu Vorzugspreisen an befreundete Länder verkauft werden. Ortega verkauft dieses zu Marktpreisen weiter. Der Gewinn wird auf 1,5 bis zwei Milliarden Dollar geschätzt. Das Geld wird von Ortegas Frau über sandinistische Firmen unter anderem in die Sozialprogramme geleitet. Wie viel zu den Armen kommt und wie viel bei der Familie Ortega bleibt, kann niemand überprüfen.

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9 Kommentare

 / 
  • E
    Esteliana

    @nicalemana

     

    Das stand ja sogar im März dieses Jahres noch in den nicaraguanischen Tageszeitungen zum "Tag der Frau":

     

    Macht Daniel mal etwas nicht richtig und wird öffentlich kritisiert, dann war es seine "machtgierige, die Fäden in der Hand haltende" Frau, die Inkarnation des Bösen.

    Die primera dama hat möglicherweise viel Einfluss, aber das spricht Daniel Ortega nicht frei von seinen Vergehen: Korruption, klare Bevorteilung der FSLN- Mitglieder, Änderung der Verfassung etc.

    So wird Daniel der Rücken freigehalten, denn wenn mal etwas nicht so läuft, dann war es eben Rosario.

     

    Trotz allem ändert das nichts an meiner Meinung über diese Frau und meiner Abneigung gegenüber Daniel und den vermeintlich demokratischen Wahlen.

  • C
    Carmen

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    Tolle kommentar vom El NICA, nur der jenigen der da lebt weißt Bescheid wie da in Währklichkeit ist. Diese Zeitung forscht nicht seine Information. Also nicht zu entfällen. Sie nehmen auch die Sache Parteilich.

  • N
    Nicalemana

    Natürlich hat Daniel Ortega viel bewirkt, aber wenn man genauer hinsieht, passiert das immer im letzten jahr vor den wahlen... die anderen 4 jahre vorher werden vergessen, die jahre in denen das geld un den privaten taschen gelandet ist.

    man muss aber dazu sagen, dass seine frau hauptsächlich an allem schuld ist...er ist nur der vorwand, damit sie ihren willen ausleben kann...

  • D
    Demokrat

    @Nica

     

    Du hast natürlich recht, wenn die Wiederwahl von Kohl, Schröder und Co. gegen die Verfassung verstoßen hat muss da jetzt was geschehen. Taz, bitte da nochmal nachhaken!

     

    Aber in Nicaragua ist die Wiederwahl anscheinend gegen die Verfassung, deshlab muss diese Wahl weltweit geächtet werden.

  • N
    Nica

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    Nur wer die Situation in Nicaragua taegich miterlebt, weiss, dass es wirklich viel wichtiger ist, das Land voranzubringen, als eine Wiederwahl Ortegas zu unterbinden. Vor allem wo er sehr viele soziale Projekte verwirklicht, die ALLEN Nicaraguanern zugute kommen, im Artikel der TAZ wurde nur ein winziger Teil erwaehnt. Ich ergaenze noch mit: Zinc fuer die Reparation der Huetten und Daecher, Häuser fuer Familien, die von den Ueberflutungen begtoffen sind, Strassenbau in den Stadtvierteln wo kein liberaler Politiker ueberhaupt weiss, dass sie existieren, Strassen- und Wegebau in den entlegensten Regionen Nicaraguas, Renten fuer die Pensionaere, Rollstuehle fuer Behinderte, Stipendien an Unis und Hochschulen, Kleinkredite fuer Frauen, Unterstuetzung des Kleinhandels und den mittleren Produktionsbetrieben, Ausruestung der reginalen Krankenhauser und oertlichen Gesundheitsposten, Unterstuetzung sportlicher Aktivitaeten in Schulen und Gemeinden, und vieles mehr... Anstatt dass die Oposition, die mehr Korruptionsgeschichte hat als alle anderen, zumindest den Impakt dieser Projekte zugibt (ich rede nicht von feiern), zerfleischen sie sich gegenseitig!

    Und nochwas: da kommen die "Demokraten" aus der 1. Welt, die jahrzehntelang Herrn Kohl, Frau Merkel.... wiederwaehlen und kritisieren, das ist doch sowas von laecherlich!

  • N
    Nica

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    Nur wer die Situation in Nicaragua taegich miterlebt, weiss, dass es wirklich viel wichtiger ist, das Land voranzubringen, als eine Wiederwahl Ortegas zu unterbinden. Vor allem wo er sehr viele soziale Projekte verwirklicht, die ALLEN Nicaraguanern zugute kommen, im Artikel der TAZ wurde nur ein winziger Teil erwaehnt. Ich ergaenze noch mit: Zinc fuer die Reparation der Huetten und Daecher, Häuser fuer Familien, die von den Ueberflutungen begtoffen sind, Strassenbau in den Stadtvierteln wo kein liberaler Politiker ueberhaupt weiss, dass sie existieren, Strassen- und Wegebau in den entlegensten Regionen Nicaraguas, Renten fuer die Pensionaere, Rollstuehle fuer Behinderte, Stipendien an Unis und Hochschulen, Kleinkredite fuer Frauen, Unterstuetzung des Kleinhandels und den mittleren Produktionsbetrieben, Ausruestung der reginalen Krankenhauser und oertlichen Gesundheitsposten, Unterstuetzung sportlicher Aktivitaeten in Schulen und Gemeinden, und vieles mehr... Anstatt dass die Oposition, die mehr Korruptionsgeschichte hat als alle anderen, zumindest den Impakt dieser Projekte zugibt (ich rede nicht von feiern), zerfleischen sie sich gegenseitig!

    Und nochwas: da kommen die "Demokraten" aus der 1. Welt, die jahrzehntelang Herrn Kohl, Frau Merkel.... wiederwaehlen und kritisieren, das ist doch sowas von laecherlich!

  • A
    adelante

    offensichtlich gelangt genug Geld zu den Armen, sonst würden sie nicht in so erdrückender Mehrheit Ortega wählen...

  • PV
    Piri voll und zu Pinkus

    Es ist schlicht zum kotzen was Geld und Macht aus Menschen macht. Zum einen fühlen die Mächtigen sich permanent unersetzbar, zum anderen machen sie sich die Taschen voll und ich frage mich warum tun die das ? Immer wieder die selben Reflexe der Maächtigen , Reichen. Warum also nicht mal die Abkehr vom kapitalismus wagen ? Kann eigentlich nur besser werden, weil schlechter gibts ja schon.

  • D
    Demokrat

    "Dass die Verfassung eigentlich die direkte Wiederwahl eines Präsidenten verbietet und man den Urnengang folglich als Teil eines technischen Staatsstreichs von oben bezeichnen könnte, spielt angesichts der Armut eine untergeordnete Rolle."

     

    Wie bitte? So ein Verfassungsbruch spielt eine untergeordnete Rolle? Das kann doch nicht euer ernst sein!