: Präsident Iliescu droht mit harten Strafen
■ Besetzung des rumänischen Regierungsgebäudes als versuchter Staatsstreich qualifiziert / Mahnende Rufe Iliescus nach Ruhe und Ordnung / Verteidigungsminister Militaru ist zurückgetreten / Weiterhin Mißtrauen gegenüber den Säuberungsanstrengungen der Regierung
Bukarest (afp) - Einen Tag nach der Erstürmung des Regierungssitzes in Bukarest durch antikommunistische Demonstranten hat der Vorsitzende des Provisorischen Rates der Nationalen Einheit, Ion Iliescu, am Montag zu Ruhe und Stabilität aufgerufen. Das Exekutivbüro des Rates diskutierte unter anderem den Einsatz der Armee zur Räumung des Regierungsgebäudes. Das rumänische Radio berichtete, fünf verletzte Soldaten seien am Sonntag ins Krankenhaus gebracht worden und rund fünfzig andere medizinisch versorgt worden. Von Militärseite wurde mitgeteilt, 24 Personen seien wegen Teilnahme an der Erstürmung des Regierungssitzes festgenommen worden. In der Mehrzahl handle es sich dabei um junge Leute, die zur Zeit von der Polizei verhört würden.
Zwei bis dreihundert Menschen hatten am späten Sonntag nachmittag während einer Kundgebung von zwei- bis dreitausend Demonstranten den Sitz der Übergangsregierung erstürmt. Die rumänische Führung hatte diese Aktion umgehend als „versuchten Staatsstreich“ bezeichnet.
Die rumänische Nachrichtenagentur 'Rompres‘ meldete am Montag morgen, unter den Besetzern des Gebäudes seien drei Mitglieder der Nationalen Bauernpartei gewesen, eine der wichtigsten Oppositionsparteien. Die Führer der Nationalen Bauernpartei dementierten am Montag, die Demonstration organisiert zu haben. In einer Rundfunkansprache forderte Präsident Iliescu die „strenge Bestrafung derjenigen, die das Gesetz nicht respektieren“. Bei der Erstürmung des Regierungsgebäudes habe es sich nicht um eine Aktion von Leuten gehandelt, die die Demokratie verteidigen wollten, sondern um konterrevolutionäre Akte.
Diese schroffe Reaktion Iliescus hat zum Hintergrund, daß er selbst Gegenstand des Volkszorns geworden ist. Auf dem Bukarester Siegesplatz war am Sonntag „Iliescu - Diktator!“ skandiert worden. Iliescu wird auch angelastet, daß die Untersuchungen gegen die Securitate schleppend vorangehen und massenhaft belastendes Material verschwunden ist.
Bis zum Sonntag hatte sich die Regierung darauf konzentriert, die demonstrierenden Offiziere und Unteroffiziere von der Straße zu holen. Um weitere Kundgebungen der unzufriedenen Militärs zu verhindern, hatte Verteidigungsminister Nicolae Militaru seinen Rücktritt eingereicht und damit eine der Hauptforderungen der Offiziere erfüllt. An seine Stelle trat jedoch nicht - wie gefordert - ein Zivilist, sondern Generraloberst Victor Stanculescu, der ebenfalls in der Schußlinie der Medien steht. Auch er soll bei der Flucht des Ehepaars Ceaucescu behilflich gewesen sein. Ihm wird außerdem vorgeworfen, daß seine Tochter mit einem heute bei der Polizei dienenden ehemaligen Securitateoffizier verheiratet ist.
Kenner der Situation in Bukarest halten die Forderung nach einer Säuberung der Kader der Armee und der Ordnungskräfte von ehemaligen Ceaucescu-Gefolgsleuten für unerfüllbar. Eine derartige Maßnahme würde die Personalstärke der Armee allzu drastisch verringern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen