: Präsident Erschad zurückgetreten
Opposition einigt sich auf Kandidaten für Erschad-Nachfolge/ Jubel und Feiern, aber auch Racheakte nach Rücktrittsankündigung/ Armee nimmt Präsidenten in „Sicherheitsverwahrung“ ■ Von Mesbahuddin Ahmed
Dakka (taz) — Sobald die Opposition einen Vizepräsidenten ernannt hat, werde General Erschad zurücktreten, so seine Ankündigung am Abend des vierten Dezember. Am 8. Dezember solle das Parlament zu einer Sondersitzung zusammentreten und den neuen Vizepräsidenten bestimmen, der daraufhin eine Interimsregierung bilden und faire und freie Wahlen vorbereiten soll. Als diese Nachricht am vierten Dezember um 22 Uhr vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, brach in den Straßen — ungeachtet aller Ausgangssperren — Jubel und Freude aus.
„Sieg“, grölten die Menschen von den Hausdächern und beglückwünschten einander. Eine ungehaltene Menschenmenge attackierte gar einige Residenzen der Ministergarde des Generals und etliche Häuser seiner Sympathisanten. Zahlreiche Büros der von Erschad gegründeten Jathiya-Partei gingen in Flammen auf.
Fast zweihunderttausend Menschen hatten Erschad am Vortag unter Druck gesetzt und gegen seine Offerte demonstriert, erst fünfzehn Tage vor den für das kommende Jahr anberaumten Präsidentschaftswahlen zurückzutreten. Zu den landesweiten Demonstrationen kamen die Kündigungen von 500 Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, die sich auf weiteres weigerten dem Gerneral zu dienen. Selbst der Polizeichef hatte bereits seinen Rücktritt eingereicht, ebenso 19 Parlamentarier, darunter der Premierminister des Generals.
Auch die rasche Drohung der Geldgeber, insbesondere von Großbritannien und Japan, die Hilfe einzustellen, sowie der Appell aus Washington, den Konflikt mit der Opposition mit politischen Mitteln zu lösen, mögen zu dem eiligen Rücktritt Erschads beigetragen haben. Wie verlautete, soll schließlich nicht einmal die Armee, trotz eines deutlichen Angebots des Ex-Generals, Interesse an der Machtübernahme gezeigt haben. Armeekreise erklärten in der hauptstadt Dakka, sie hätten Erschad auf dem Gelände einer Kaserne in „Sicherheitsverwahrung“ genommen und sich geweigert, dem Präsidenten einen Hubschrauber zur Verfügung zu stellen. Unterdessen blockierten mehrere zehntausend Menschen die Stratbahnen des Flughafens von Dakka, um eine Flucht des präsidenten ins Ausland zu verhindern.
Die drei größten oppositionellen Gruppierungen einigten sich gestern noch auf den obersten Richter des Landes, Shehabuddin Ahmed, als kandidaten für die Vizepräsidentschaft.
Von den frühen Morgenstunden an ertönten im staatlichen Fernsehen gestern die Volkshymnen aus den Zeiten des Unabhängigkeitskampfes von Pakistan. Unterbrochen wurde das tagesfüllende Programm nur von den wiederholten Aufforderungen der Führerin der Achtparteienallianz Hasina Wazed und von Khaleda Zia, die einer Allianz von sieben Parteien vorsteht. Die beiden Oppositionsführerinnen riefen zum Gewaltverzicht auf, damit das erreichte nicht gleich wieder zerstört werde. Frau Hasina ist die Tochter des Staatsgründers Mujibur Rahman, der von 1971 an vier Jahre lang regierte. Der am 15. August 1975 bei einem Staatsstreich ermordete Rahman war Initiator und Führer der Separation des wirtschaftlich benachteiligten Ostpakistan vom größeren und entwickelteren Westen Pakistans. Frau Zia ist die Witwe seines Nachfolgers, General Ziaur Rahman, der, gestützt auf das Militär, eine Phase innenpolitischer Demokratisierung einleitete und sich von der Sowjetunion ab und dem islamischen Lager zuwandte.
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