■ Potsdamer „Friedensuniversität“: Jahrmarkt der Absonderlichkeiten
Was haben Jutta Ditfurth und Penny McLean gemeinsam? Etwa soviel wie ein Blitzableiter und eine Wetterkerze. Und dennoch: Beide treten als Referentinnen bei der Potsdamer „Friedensuniversität“ (1. 9. bis 1. 10. 95) auf. Ist das nun höhere Dialektik oder schlicht Unkenntnis der einen, daß die andere auch da ist? Man weiß es nicht. Man weiß auch nicht, was all die ernstzunehmenden Wissenschaftler und Kulturschaffenden, die auf dem Panel stehen – unter den über 200 Referenten allein zwei Dutzend Nobelpreistäger – dazu gebracht haben mag, sich auf diesen Jahrmarkt der Absonderlichkeiten einzulassen. Was bewegt Mediziner vom Range eines Joseph Murray oder eines Carleton Gajdusek, in einer Fakultät mit Bachblütentherapeuten (Mechthild Scheffer/Beirat) und Geistheilern (Tom Johanson) aufzutreten? Wie kommen Yehudi Menuhin (Vorstand) oder Vladimir Ashkenazy dazu, ihre guten Namen aufs Spiel zu setzen? George Tabori, Wolf Kahlen, Jochen Gerz?
Was haben sich Lothar Bisky und Gregor Gysi dabei gedacht, in einem Beirat mitzuwirken, in dem auch esoterisch abgedrehte Vögel wie Rainer Langhans oder Leonard Orr sitzen, von denen letzterer zumindest sich für „physisch unsterblich“ hält? Was hat Rita Süssmuth in solcher „Obskurantenrunde“ (Spiegel) verloren? Was Otto v. Habsburg? Franz Alt, Michael Ende, Monika Griefahn, Lotti Huber, Milva, Christian Schwarz-Schilling, Peter Maffay, Brita Steilmann, sie alle finden sich im Veranstaltungsprogramm der „Friedensuniversität“ als ReferentInnen wieder. Als „Kuratoriumsmitglieder“: Luise Rinser und Gabriele Krone-Schmalz. Dazwischen immer wieder bekannte Namen aus der Esoterik- und New- Age-Szene, im „Beirat“ etwa die führenden Exegeten der Ex-Osho- Rajneesh-Bewegung: Michael Barnett (Swami Somendra) , Paul Lowe (Swami Teertha) oder „Tantra-Therapeutin“ Margo Naslednikov (Ma Ananad Margo).
Esoterik-Gurus und Plastik- Schamanen jeder nur denkbaren Richtung sind als Dozenten vorgesehen, so zum Beispiel der „Lebenslehrer“ Kurt Tepperwein. Einer der wichtigsten Promoter der „Friedensuniversität“ ist deren stellvertretender Vorsitzender, der Reinkarnationstherapeut Rüdiger Dahlke. Was den Heidelberger Psychologieprofessor Helm Stirlin dazu treibt, für eine „esoterisch- kommerzielle Organisation aus der Westberliner New-Age-Alternativ-Szene“ (Sektenbeauftragter Thomas Gandow am 24. 1. 95) als „Kurator“ tätig zu sein, bleibt schleierhaft. Ebenso unduchsichtig sind die Beweggründe für Desmond Tutu oder den Dalai Lama, als „Schirmherren“ zu fungieren.
Ist es allein der Begriff Friedens- Universität, der bedeutende Persönlichkeiten aus 45 Ländern begeistert an diesem Megaaufgebot des Abstrusen mitmachen läßt? Wahrscheinlich. Überdies steht zu vermuten, daß die einzelnen Referenten sich die Namen der Veranstalter nie richtig angesehen haben. Vermutlich wissen die wenigsten, daß da etwa auch Ober-Ufologe Johannes v. Buttlar als „Beirat“ vertreten ist. Oder George Trevelyan, Mitbegründer der esoterischen Findhorn Foundation, der in seinem „Unternehmen Erlösung“ den nuklearen Holocaust hymnisch verklärt: „Nach einem Atomkrieg könnte die Erde in neuer Schönheit entstehen.“ Esoterik-Maskottchen Penny McLean (vulgo: Gertrud Wirschinger) wird Probleme haben, all ihren Lehraufträgen nachzukommen. Zeitgleich zur „Friedensuni“ tritt sie als Top-Expertin auf dem „7. Welt- Ufo-Kongreß“ in Düsseldorf auf.
Einer der Hauptsponsoren der „Friedensuniversität“ ist im übrigen der Axel-Springer-Verlag. Colin Goldner
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