: Post aus der Moderne: 30. Germinal
Paris, 20ter April 1791 (eigener Bericht) - Die Nationalversammlung disputierte heute die Bestimmungen des Wahlrechts. Der Abgeordnete des Dritten Standes aus Arras, M. Robespierre, sprach gegen die vorgeschlagene Bindung des Wahlrechts an eine Mindestsumme an Abgaben, die „Mark Silbers“: „Bürger! Ist das Gesetz der Ausdruck des allgemeinen Willens, wenn die größte Zahl derer, für welche es gemacht ist, in keiner Weise zu ihrer Bildung mitwirken kann? Nein. Wenn man aber allen denen, die nicht eine
Steuer gleich drei Ar
beitstagen bezahlen, so
gar das Recht nimmt, die
Wahlmänner zu wählen,
was heißt das anderes,
als den größeren Teil der
Franzosen vollständig
von der Feststellung der
Gesetze fernzuhalten?
Diese Bestimmung ist
also wesentlich verfas
sungs- und gesellschafts
widrig. Das Volk ver
langt nur das Notwen
dige, es will nur Gerech
tigkeit und Ruhe; die
Reichen verlangen alles,
sie wollen alles an sich reißen und alles beherrschen. Die Mißbräuche sind das Werk und Erbgut der Reichen, sie sind die Geißeln des Volkes. Das Interesse des Volkes ist das allgemeine Interesse, das der Reichen ist das besondere Interesse und sie wollen das Volk zur Null und die Reichen allmächtig machen! Hat das Volk das Joch der Feudalaristokratie gebrochen, um unter das Joch der Aristokratie der Reichen zurückzufallen? Ich schlage der Nationalversammlung folgenden Dekretentwurf vor: Die Nationalversammlung, durchdrungen von einer gewissenhaften Achtung für die Menschenrechte, deren Aufrechthaltung der Zweck aller politischen Einrichtungen sein muß, erklärt, daß alle Franzosen, d.h. alle in Frankreich geborenen und wohnhaften oder eingebürgerten Menschen das volle Maß und die Gleichheit der Bürgerrechte genießen und zu allen öffentlichen Ämtern Zutritt haben sollen, ohne eine andere Unterscheidung, als die der Tugenden und der Talente.“ Der Vorschlag wird abgelehnt. 30.GERMINAL
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