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Portugal in der KriseHarte Zeiten für einen armen Staat

Die portugiesischen Gewerkschaften rufen zum Generalstreik auf, um ein neues Sparpaket der sozialistischen Regierung zu stoppen. Dieses wird Staatsbedienstete besonders hart treffen.

Demonstranten bei einer CGTP-Kundgebung am 29. September in Lissabon. Bild: rtr

MADRID taz | Portugals Gewerkschaften rufen für den 24. November zum Generalstreik gegen die Sparpolitik der Regierung unter dem Sozialisten José Socrates auf. Es sei an der Zeit, "der Regierung deutlich zu machen, das die Politik geändert werden muss", erklärte jetzt der Generalsekretär der kommunistischen CGTP, Manuel Carvalho da Silva.

Carvalho da Silvas Gewerkschaft hatte bereits Ende September in Lissabon 80.000 Menschen gegen die Sparpolitik im ärmsten Land Westeuropas auf die Straße gebracht. Von einer "Generalprobe" sprach der Gewerkschaftschef damals. Nun hat er - zum ersten Mal seit 22 Jahren - auch die sozialistische Schwesterorganisation für den Aufruf zum Generalstreik gewonnen.

Grund für die Empörung: Die Regierung hat unter dem Druck der Europäischen Union ein zweites Sparprogramm aufgelegt, das härter ist als das erste und so schnell wie möglich durchs Parlament gebracht werden soll.

Socrates hatte die Gehälter von Beamten und öffentlichen Angestellten bereits im März einfrieren lassen. Je nach Einkommensstufe sollen nun zwischen 3,5 und 10 Prozent ihres Gehaltes gekürzt werden. Ihre Pensionsabgaben werden angehoben. Außerdem werden für alle der Pendlerzuschlag und das Familiengeld gestrichen, die Renten eingefroren, und die Mehrwertsteuer wird um weitere zwei Punkte auf 23 Prozent erhöht. Im Frühjahr hatte die Regierung Socrates auch den Steuersatz für Besserverdienende angehoben, Staatsbetriebe zum Verkauf angeboten und staatliche Investitionen auf Eis gelegt. Der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke ins benachbarte Spanien wurde zum Beispiel um zwei Jahre verschoben.

Portugal ist neben Griechenland, Italien und Spanien eines der Sorgenkinder der Europäischen Union. Das Haushaltsdefizit liegt derzeit bei 9,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Staatsverschuldung dürfte in diesem Jahr von 76,6 Prozent des BIP auf über 85 Prozent steigen. Jeder zehnte Portugiese ist arbeitslos. Portugal musste zuletzt rund vier Prozentpunkte höhere Aufschläge für die Platzierung von zehnjährigen Staatsanleihen zahlen als beispielsweise Deutschland.

Mit den alten und neuen Sparmaßnahmen soll das Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2011 auf 4,6 Prozent und bis 2013 auf 2,8 Prozent sinken. Außerdem soll die Kreditwürdigkeit des südwesteuropäischen Landes auf den internationalen Märkten verbessert werden. "Der Generalstreik wird die Regierung nicht davon abbringen, zu tun, was getan werden muss", hat Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos bereits erklärt.

Doch bis es so weit ist, hat die Regierung Socrates noch andere Probleme. Der Sozialist verfügt im Parlament über keine absolute Mehrheit. Von links kann er nicht auf Unterstützung hoffen. Und die konservative Sozialdemokratische Partei Portugals (PSD) hat sich noch nicht geäußert, ob sie einmal mehr, wie bereits im Frühjahr, den Sparkurs mittragen möchte. Bisher weigern sich die Konservativen, den Haushalt fürs kommende Jahr zu unterstützen. Sollte Socrates keine Mehrheit erhalten, wären Neuwahlen wohl der einzige Ausweg. REINER WANDLER

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5 Kommentare

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  • H
    harri

    Natürlich sind die portugiesischen Beamten privilegiert. Wo sind sie das nicht? Schließlich halfen und helfen sie dabei mit, den größten Teil der Bevölkerung nach der blendenden Euroeinführung und der damit verbundenen Konsumsteigerung wieder daran zu gewöhnen, wieder arm zu werden. Das erfordert hohe Verantwortung, die entsprechend bezahlt werden muss.

  • D
    Deutelmoser

    an A.K. die Privatwirtschaft zu behindern ist doch generell die Aufgabe der Beamten, oder ?

  • A
    A.K.

    Stimme mit S.G. überein. Nicht nur, dass viele port. Beamten inkompetent und nicht motiviert sind, sie streiken noch ständig und behindern damit alle Privatangestellten beim Arbeiten. Immerhin muss man als Privatangestellter ca 6 Monate im Jahr arbeiten, damit die Beamten ihr Gehälter bekommen könne, welche ständig nach Gehaltserhöhungen schreien, während in der Privatwirtschaft die meisten froh sind ihren Job zu behalten.

    Oder sie streiken und keiner merkt es. Besonders beliebt ist es auch im Sommer am Freitag oder Montag zu streiken, damit man einen schönen Tag am Strand verbringen kann, wie ich es schon erlebt habe, während der Rest für einen arbeitet.

    Oder die Lehrer gebem am Tag, an welchen das Abitur geschrieben wird, morgens im Radio kund, wie schlecht es ihnen geht und sie deswegen die Schüler nicht auf die Prüfungen vorbereiten konnten. Das ist für einen Schüler, welcher gerade auf dem Weg zur Prüfung ist, bestimmt motivierend.

    Und dazu kommt noch, dass dieser riesige Apparat nicht effizient ist. Jeder der es sich leisten kann, schickt seine Kinder auf eine Privatschule, jeder des es sich leisten kann, geht privat zum Arzt und hat eine Zusatzversicherung und selbst die Sicherheit von Häusern, etc wird mehr durch private Sicherheitsunternehmen gewährleistet, als von der Polizei.

    Portugal´s riesiger Beamtenapparat ist mit Sicherheit eine wichtiger Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Portugals. Wie sollen ca. 5-6 Millionen Arbeitsnehmer für 700 000 Beamte und deren Privilegien aufkomment?

  • N
    neuhaus

    italien ist nun nicht ein sorgenkind sondern eher irland. italiens verschuldung, staat und privat ist etwa mit deutschland gleich, dazu eine höhere sparquote als andere, dazu sind die bürger selber gläubiger ihres staates, eine gewisse autonomie.

     

    ihre hasstiraden gegen italien sind peinlich und eher weltniveua. aufklärung bitte.

     

    bg

  • S
    S.G.

    Ich habe mit den portugiesischen Beamten nur sehr wenig Mitleid.

     

    Jeder der das Land ein wenig kennt, weiß über deren paradiesische Lebensumstände zu berichten.

     

    Im Gegensatz zu den in der Privatwirtschaft angestellten Tagelöhnern verdienen die portugiesischen Beamten wahre Traumgehälter. Auch genieße die Herrschaften eine vorzügliches Gesundheitswesen. Am Ende gibt es eine schöne Pension die sich jährlich erhöht. Nicht zu vergessen ein fettes Weihnachtsgehalt sowie pünktlich zu August ein prächtiges Urlaubsgeld.

     

    Insgesamt lässt es sich in Portugal als Beamter wunderbar leben. Das erklärt auch das gigantische Beamtenheer.

     

    Aber wehe der Bürger geht aufs Amt um etwas zu klären. Inkompetenz gepaart mit "Null-Bock-mich kann-eh-niemand-kündigen."

     

    Die portugiesischen Beamten müssten auf den Knien rutschen....