■ Portraits von Adolf Hitler: Im Giftschrank
Die Entscheidung des Deutschen Historischen Museums sei schon vor dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck gefallen, auch wenn die Absage einer dringenden Bitte Jerzy Kanals, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Berlin, nachgekommen ist. Christoph Stölzl hat als Museumsdirektor auf verletzte Gefühle reagiert, nicht auf antisemitische Übergriffe. Das Dilemma liegt in der vermuteten Unmündigkeit der Betrachter: Immer noch wird ein Zusammenhang zwischen Neonazis und rechter Bilderflut befürchtet. Und die momentane Enttabuisierung der Bilder scheint diese Befürchtung zu bestätigen. Schon im Film über Leni Riefenstahl wird der Versuch der Dokumentation von Riefenstahls physischer Präsenz überwältigt. Die Frage nach dem Unrecht verschwindet hinter der Ikone. Andererseits wird auch die Inflation an NS- Symbolen immer häufiger mit Identifikation gleichgesetzt, ohne auf den Gehalt dieser Symbole einzugehen.
„Hoffmann und Hitler – Fotografie als Medium des Führermythos“ sollte nun vielmehr „die synthetische Erscheinung Hitlers“ entlarven, zeigen, daß der „häßlichste Mann der Welt“ (Klaus Mann) ein Konstrukt war, dessen Massenwirkung an technischen Apparaturen wie Kamera und Radio hing. Daß einem solchen Grad an Abstraktion gerade angesichts des Synagogenbrands mißtraut wird, mag verständlich sein, zeugt aber von einem bequemen Vertrauen in die „Macht der Bilder“, mit deren vermeintlicher Gefährlichkeit sich niemand mehr auseinandersetzen mag. Dadurch trägt die Angst vor dem Mißbrauch der Hitler-Portraits für rechte Kultzwecke zu eben jener Ästhetisierung bei, die sie zu verhindern hofft. Statt eines analytischen Umgangs werden die Sachen im Giftschrank belassen, in dem eine Aura überhaupt erst wieder entstehen konnte. Warum das Kindermädchen für Neonazis spielen? Ein Verbot mag die verletzten Gefühle der Jüdischen Gemeinde befrieden. Zu einem souveränen Umgang mit der Vergangenheit trägt es nicht bei. Harald Fricke
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