Portrait Axel Weber: Der, der nie aneckt
Bundesbankpräsident Axel Weber könnte neuer Chef der Europäischen Zentralbank werden. Er würde damit Jean-Claude Trichet auf einem der einflussreichsten Ämter folgen, die Europa zu bieten hat.
Angela Merkel und Axel Weber sind ein eingespieltes Team. Während der Finanzkrise gehörte der Bundesbankpräsident zu den engsten Ratgebern der CDU-Bundeskanzlerin. Nun hat Merkel beim Personalgeschacher um die Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Strippen geschickt gezogen. Nach Medienberichten stehen Webers Chancen gut, im nächsten Jahr neuer EZB-Chef zu werden.
Weber würde damit Jean-Claude Trichet auf einem der einflussreichsten Ämter folgen, die Europa zu bieten hat. Der Spitzenposten wäre nicht nur die Krönung der ebenso stillen wie zielstrebigen Karrierearbeit des 52-Jährigen. Sie wäre auch das Resultat jahrelanger Unterstützung für Weber durch das politische Establishment in Berlin.
Schon vor zehn Jahren rückte der Professor für Geldwirtschaft von der streng marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsfakultät der Uni Köln in den wissenschaftlichen Beirat der Bundesbank auf. Zwei Jahre später erkor die rot-grüne Bundesregierung ihn zu einem ihrer fünf "Wirtschaftsweisen". Überraschend machte der damalige SPD-Finanzminister Hans Eichel den "unbekannten Weisen" 2004 als ersten Wissenschaftler zum Bundesbankpräsidenten.
Beim Anrollen der Finanzkrise wirkte der EZB-Chef in spe allerdings hilflos. So rüffelte Weber, der als Forscher nicht durch sonderlich originelle Beiträge auffiel, Finanzaufsichtschef Jochen Sanio, als der vor der "größten Finanzkrise in Deutschland seit 1931" warnte. Während es bereits krachte, verbreitete Weber: "Befürchtungen bezüglich einer Bankenkrise in Deutschland entbehren jeder Grundlage." Aber auch ihm dämmerte irgendwann der Ernst der Lage. Weber unterstützte das global koordinierte Krisenmanagement der Notenbanken und sprach sich für grundlegende Veränderungen im Finanzsystem aus.
Als Mann des Mainstreams dürfte sich der Hobbyjogger und Vater von zwei Kindern geschmeidig in das EZB-Direktorium einfügen. Kritiker werfen dem auf Inflationsbekämpfung getrimmten Gremium vor, es habe mit seiner absoluten Ausrichtung das europäische Wirtschaftswachstum geschwächt. Aber auch in diesem Streit dürfte Weber kaum anecken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren