Porträt: Die motivierte Nummer Vier
Sie druckst gar nicht lange herum: „In den ersten zwei Wochen habe ich sehr gelitten“, gesteht Jennifer Martens. Acht Monate ohne Spiel, die Karriere war doch eigentlich schon beendet. Und plötzlich ist sie als Torfrau mittendrin im nationalen und sogar europäischen Spitzenfußball. Sie verstärkt seit Jahresanfang überraschend den VfL Wolfsburg. Ihr Comeback ist einem Kuriosum zu verdanken: Gleich drei der eingeplanten Stammtorhüterinnen plagen sich mit Verletzungen herum. Also musste dringend eine Ersatzfrau her. „Ich habe mir gesagt: Nimm diese Chance mit und hilf dem Team“, erklärt Martens.
Sie klingt euphorisch, wenn sie aus dem Trainingslager im portugiesischen Faro berichtet. Den starken Muskelkater nimmt sie gerne in Kauf, der war einkalkuliert. Die 26 Jahre alte Martens ist zufrieden. Sie hatte sich vom Leistungssport verabschiedet und danach eine Ausbildung zur Sportfachfrau absolviert. Dann kam der Anruf von Ralf Kellermann, dessen Lockruf nahezu alle Spielerinnen im Frauenfußball als Wertschätzung einstufen. Der Erfolgstrainer sammelt mit Wolfsburg Titel in Serie. Wenn er eine Spielerin ruft, regt sich selten Widerstand.
Aber ist das wirklich realistisch, was sich Jennifer Martens da vornimmt? Sie fügt sich in ein Team ein, in dem beinharter Konkurrenzkampf Tagesgeschäft ist. Die eigentliche erste Torfrau des VfL Wolfsburg ist Nationalspielerin Almuth Schult. Sobald sie von ihren Beschwerden durch ein Knochenödem ganz erlöst ist, steht sie wieder dauerhaft zwischen den Pfosten. Martens nimmt das sportlich: „Ich sehe hier meine Chance auf den nächsten Schritt“, sagte sie. Schon am Sonntag steht für den VfL Wolfsburg beim FF USV Jena das erste Bundesligaspiel nach der Winterpause an. Eine motivierte Torfrau mit Muskelkater könnte dann die bessere Wahl sein als eine Torfrau mit Trainingsrückstand und Blessur.
Eigentlich hätte das alles anders kommen sollen. Martens wollte nach einem beruflichen Abstecher nach Frankfurt in ihre Heimat und zu Werder Bremen zurückkehren. Erste Erfahrungen als Trainerin sammeln, ein Fernstudium im Fach Sportmanagement beginnen. Zugunsten des VfL Wolfsburg hat sie diesen Plan über den Haufen geworfen. Martens fühlt sich mit Blick auf ihre berufliche Karriere derzeit an nichts gebunden. Sie kann ihr Pensum für das Fernstudium nach Belieben bestimmen und stürzt sich volle Pulle in den Fußball. Am 22. März tritt der VfL Wolfsburg im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Olympique Lyon an. Von solch einem Spiel und einem Platz in der Anfangself träumt jede aktive Kickerin. Königsklasse statt Karriereende: Ab sofort träumt Martens mit. Christian Otto
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen