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PorträtDer Nahbare

Unaufgeregt: Joe Enochs, Trainer des VfL Osnabrück:  Foto: dpa

In Osnabrück kennt Joe Enochs buchstäblich jedes Kind – zumindest die, die zum VfL gehen: Als einziges Stadion in Deutschland besitzt die Osnatel-Arena eine Kindertribüne, die inzwischen nach dem 1971 in Kalifornien geborenen Rekordspieler des VfL benannt ist. Der übernahm am 24. August den Posten als Cheftrainer beim Fußball-Drittligisten. Damals stand der Verein mit zwei Punkten und einem Tor auf dem vorletzten Tabellenplatz. Enochs hat das in die oberen Gefilde der 3. Liga geführt. Nach dem jüngsten Heimspiel, am Samstag gegen Aue, kletterten die Lila-Weißen auf Tabellenplatz vier.

Das Erfolgsrezept des Trainers liegt offenbar im menschlichen Umgang. Dabei war die Spielweise des Mannes, der 1996 von den Amateuren des FC St. Pauli nach Osnabrück wechselte, alles andere als kinderfreundlich: Enochs war der Mann fürs Rustikale, der die Defensive sauber hielt. Er schoss aber im Pokalspiel gegen den FC Bayern im September 2004 auch das Tor des Monats.

In Osnabrück ist er beliebt. Nicht nur, weil er eine Kneipe in der Altstadt betreibt. Wann immer für soziale Zwecke ein Promi benötigt wird, ist Enochs dabei. Wer ihn anspricht, für den findet er ein freundliches Wort. Typisch amerikanisch? „Aber nicht oberflächlich“, sagt er.

Als Trainer scheint er einen Fußball mit menschlichen Antlitz zu favorisieren. „Er ist ehrlich, kann mit den Spielern gut umgehen“, sagt VfL-Abwehrspieler David Pisot über seinen Chef. Der nimmt seinen Job gleichwohl sehr ernst: Das ist ihm auch am Spielfeldrand anzusehen. Konzentriert wirkt er, ernst, fast besorgt. Dass der VfL den Sprung vom Tabellenende in die oberen Regionen geschafft hat, begründet er zunächst mit Glück, um dann nachzulegen: „Wir haben eine gute Mischung. Wir verfügen über eine stabile Defensive und erarbeiten uns vorne Torchancen.“ Das sieht auch Pisot so: „Die erste Priorität ist, dass wir über eine gute Defensive kommen.“

Diese Spielphilosophie ging auch jetzt gegen Aue auf: Der VfL dominierte das Spiel von Beginn an. Dass Enochs nach dem Spiel sagte, seine Mannschaft habe „vielleicht ein leichtes Chancenplus gehabt“, verdeutlicht eine weitere Qualität: Bescheidenheit. Mittelfeldspieler Michael Hohnstedt etwa sprach vom besten Heimspiel der Saison.

Enochs blickt nun in die Zukunft. Er kann sich ein variableres Spielsystem gut vorstellen. „Das 4-4-2 ist nicht in Stein gemeißelt.“ Die Abläufe sollen in der Winterpause erarbeitet werden. Und dann beginnt der Angriff auf den Aufstieg in die 2. Liga? Joe Enochs teilt die für die Osnabrücker Fans so typische Euphorie nicht. Er bevorzugt es unaufgeregt: „Wir müssen auf dem Teppich bleiben.“Thomas Wübker

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