piwik no script img

■ PorträtDer Protestant an Polens Spitze

Jerzy Buzek war für die Solidarność im Untergrund – jetzt ist er Ministerpräsident. Foto: AP

Intelligent soll er sein, dynamisch und gut organisiert: Jerzy Buzek, der neue Ministerpräsident Polens. „Ein Mann ohne Fehl und Tadel“, so loben ihn seine Freunde. „Lampenfieber“ habe er, wenn er an seine neue Aufgabe denke, bekannte der 57jährige. Tatsächlich hatte der Chemiker seit Wochen auf den 15. Oktober hingefiebert. Doch nicht etwa, weil er erwartete, an diesem Tag den Posten des polnischen Regierungschefs angeboten zu bekommen. Vielmehr freute er sich auf den Professorentitel, der seine Karriere als Umweltchemiker krönen sollte.

Wenige Tage zuvor erst hatte ihn Marian Krzaklewski, Vorsitzender der in den jüngsten Parlamentswahlen siegreichen „Wahlaktion Solidarność“ (AWS) aus dem Urlaub in Barcelona zurück nach Warschau beordert. Als „Kandidat Krzaklewskis“ akzeptierte die Fraktion Buzek ohne Gegenstimme. Auch der ausichtsreichste Koalitionspartner, die „Freiheitsunion“ (UW) stimmte zu. Buzek gilt als Liberaler, dessen Ansichten zur Wirtschaftsreform mit denen der UW konform gehen.

Wichtig für die Polen ist nicht so sehr die politische Vergangenheit Buzeks als Untergrundführer der Gewerkschaft Solidarność, sondern sein religiöses Bekenntnis. Buzek ist Protestant. Auf der Straße diskutieren die Leute, ob Buzek an Christus glaube, wie er seine katholische Ehefrau Ludgarda geheiratet habe und ob die Worte des Papstes für ihn verbindlich seien. Buzek hat gleich beruhigend angekündigt, daß er die Unterzeichnung des Konkordats mit dem Vatikan als eine der ersten Aufgaben angehen werde.

Der in Wissenschaftlerkreisen anerkannte Chemiker habilitierte sich bereits 1979, doch da er politisch engagiert war, ließ der Professorentitel auf sich warten. Während des Kriegszustandes und in den Jahren danach war Buzek unter dem Pseudonym „Karol“ die große Integrationsfigur der schlesischen Solidarność.

Er war es auch, der Marian Krzaklewski in die Untergrundstrukturen der Gewerkschaft einführte. Nach den Verhandlungen am „Runden Tisch“ zwischen Solidarność und der damaligen kommunistischen Regierung war es nicht Buzek, der in der Gewerkschaft aufstieg, sondern Krzaklewski. Er hatte die katholische Kirche hinter sich. Buzek blieb im Hintergrund. Jetzt tritt die graue Eminenz aus dem Schatten. Gabriele Lesser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen