: Pornos als Behördenalltag
■ Ganz dienstlich muß ein Bremer Beamter Videos und Magazine am laufenden Band konsumieren / Seit Jahren Bremer Mitglied in der „Bundesprüfstelle“
In den Schubladen stapeln sich die Sex-Magazine. Der Schrank ist gefüllt mit Porno-Videos. Und auch die einschlägigen Computer-Programme sind vorhanden. Das Zimmer gehört Wolfgang Lindemeyer, beim Bremer Senator für Jugend und Soziales zuständig für den Jugendschutz. Der 37jährige Sozialarbeiter gilt als einer der besten Fachleute für den immer größer werdeneden Porno-Markt. So gut ist der Ruf des Bremer Medien-Experten, daß er von der Bundesprüfstelle als einziger Ländervertreter in das exklusive „Dreier-Gremium“ der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften berufen wurde.
Begutachten, indizieren - hat das nicht etwas mit Zensur zu tun? Wolfgang Lindemeyer glaubt das nicht: „Uns geht es nicht um das Verbot eines Video-Filmes oder eines Porno -Magazins; darüber entscheidet möglicherweise der Staatsanwalt. Wir verbieten nicht, wir verbannen nur unter den Ladentisch und beschränken damit den Vertrieb auf Erwachsene.“
Die Kriterien, nach denen die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen beurteilt wird, sind schwer zu fassen. So gilt zum Beispiel die schlichte Darstellung des nackten menschlichen Körpers als nicht jugendgefährdend, dagegen nach den Erkenntnissen der Medien-Pädagogik - die por
nografischen Darstellungen in Wort, Bild und Ton. Wolfgang Lindemeyer: „Gerade hier gibt es natürlich eine Grauzone, einen Bereich zwischen Nackt- und Porno-Darstellung. Hier bedarf es schon einer pädagogischen Ausbildung und großer Erfahrung, um beurteilen zu können, wann Minderjährigen die Integration der Sexualität in ihre Gesamtpersönlichkeit erschwert wird.“
Für Lindemeyer nimmt jedoch nicht Pornografie den ersten Rang bei der Jugendgefährdung ein. Immer wieder hat er - als Vertreter Bremens im Zwölfer-Gremium der Bundesprüfstelle auf Gewaltdarstellungen in den Medien hingewiesen. „Ich finde einen nackten Busen unproblematischer als das, was in vielen Horror-Videos Kindern vorgesetzt werden soll. Gerade wenn die Gewalt als im Dienste einer guten Sache dargestellt wird, ist sie - nach der sozial-psychologischen Theorie des Lernens für Kinder und Jugendliche gefährlich. Denn damit können Jugendliche sich identifizieren.“
Wer von morgens bis abends Porno-Filme und Gewalt-Videos ansehen muß, der freut sich natürlich besonders, wenn ihm einmal etwas Harmloseres vorgesetzt wird. Theresa Orlowski, bundesweit bekannte „Porno-Königin“ aus Hannover, beantragte vor wenigen Wochen für ihren aus den
USA gekauften Video-Film „Der garantiert erfolgreichste Weg, eine alleinstehende Frau aufzureißen“ die Freigabe ab 16 Jahre. Wolfgang Lindemeyer: „Die Freigabe ab 16 Jahre spielt gerade im Video-Bereich eine entscheidende Rolle. Denn dann dürfen die Verleiher und Händler offen in Prospekten und Katalogen auf den Film aufmerksam machen. Der Stempel 'Frei ab 16‘ soll andererseits dem Kunden signalisie
ren, daß er hier einen Soft-Porno erwarten kann - allerdings nicht in allen Fällen, denn manchmal verspricht der Titel mehr, als der Inhalt hält.“
So auch im Falle der Hannoveranerin: Ihr harmloses Video gaben die strengen Prüfer der freien Selbstkontrolle ohne Altersbegrenzung frei. „Damit ist der Film für das Programm der Frau Orlowski wohl gestorben“, schmunzelt Lindemeyer.
aus: Bundesland Bremen
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