piwik no script img

PopkulturjournalismusMänner,Männer,Männer

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Journalismus über Popkultur funktioniert heute bekanntlich nach der Prämisse: Hauptsache, der Autor hat noch eine Zeile über sich platziert. Besser natürlich: zwei bis drei Zeilen. Am besten: der ganze Text handelt gleich von ihm – aber nicht so, dass man es sofort merkt. Rahmendes Element bei all dem: Der Autor ist ein Mann, wobei offen bleiben muss, in welchem Beeinflussungsverhältnis die Aspekte zueinander stehen.

Klar ist hingegen: Diese Art von Journalismus ist so strukturiert, weil sie strengsten Authentizitätsrichtlinien folgen muss. Das ergibt sich schon daraus, dass die Autoren im Regelfall nichts bis gar nichts an ihren „Ergüssen“ verdienen. Folglich werden sie den lieben langen Tag von der Erfordernis angetrieben, kulturelles Kapital für die Zukunft anzuhäufen.

Dazu gehört nicht nur, sich in vielem bis allem ganz gut auszukennen, sondern auch – bei den wichtigen Anlässen, Acts, Themen – nicht nur als ein verwehtes Sandkorn mitzuwirken. Und weil man ja nur schwer los wird, was einmal verankert ist, bleibt auch alles so, wenn bzw. weil man es auf diese Weise in besser bezahlte Gefilde geschafft hat.

Ob nun unter ökonomischem Druck stehend oder einfach nur erfolgreich in sich selbst verliebt, folgt die Grenze zwischen diesem Typus des Popkulturjournalisten (es gab auch mal andere; siehe Kurztipp zur Vorstellung des Buches über Alfred Hilsberg) und dem Objekt, auf das er sich auf den ersten Blick bezieht, der Trennung zwischen Authentizität und Uneindeutigkeit.

Sicher: An eindeutigen Künstlern herrscht nie ein Mangel, man denkt jetzt hier natürlich sofort an Thees Uhlmann (21. 5., Große Freiheit) und die Gruppe BRDigung (21. 5., Rockcafé St. Pauli). Aber das Hauptmerkmal ist doch Kontingenz, in der neben der Authentizitätsbehauptung immer auch das genaue Gegenteil steckt.

Und schon tritt man am selben Abend unter dem Namen Human Abfall (21. 5., Molotow) gegen dieses Elend an. Der Gruppe wird ja derzeit nachgesagt, dass sie ein heißer Scheiß ist und man schlägt sie einer Kohorte von neuen, aber sich dem schnellen Verfall hingebenden, bissigen, aber vor allem auf das Aufrütteln einer Eigengruppe bedachten, zornigen, aber auch zynischen Bands zu, die derzeit die Szenerie bevölkern.

Das besonders Schöne ist: Ein Teil dieser Bands stammt aus Stuttgart und Umgegend und sie kommen gar nicht darauf, ihren lokalen Hintergrund ähnlich lustvoll auszuschlachten wie der erwähnte Gunter Gabriel für Jungerwachsene. Das nicht so Schöne: Die Erstgenannten stehen natürlich auch schon Schlange, um sich selbst in die Geschichte einzuschreiben. Und: Am Ende dieses Beitrags stehen einfach nur noch mehr Männer, Männer, Männer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen