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Polizisten lieber nicht vernommen

■ Schlampige Ermittlungen wegen Mißhandlungen von Schwarzen im 3. Revier / Anwalt legt Beschwerde ein

Schwere Vorwürfe gegen die Bremer Staatsanwaltschaft: Über ein Jahr hatten die Ermittlungen wegen angeblicher Mißhandlungen von Asylbewerbern in dritten Polizeirevier gedauert, in der letzten Woche wurden sie eingestellt, doch zumindest in einem Fall hatten die Ermittler schlampig gearbeitet. Trotz schwerer Vorwürfe gegen die Polizei war der beschwerdeführende Schwarzafrikaner nur einmal und die Polizeibeamten erst gar nicht vernommen worden. Und das Verfahren eingestellt, ohne daß der Anwalt überhaupt Akteneinsicht bekommen hätte. Rechtsanwalt Horst Wesemann hat gestern Beschwerde gegen die Einstellung eingelegt. „Ziemlich verärgert“ sei er, sagte Wesemann gestern gegenüber der taz.

Ende März letzten Jahres waren im Fernsehmagazin „Monitor“ zum erstenmal Vorwürfe gegen dieBeamten des dritten Reviers aufgetaucht: Sie hätten Asylbewerber mit „Viehtreibern“ traktiert, mißhandelt, und ihnen gefährliche Brechmittel spritzen lassen, wenn der Verdacht bestanden hätte, daß sie Rauschgiftpäckchen verschluckt hätten. Eine „Hetzkampagne“ und „Verleumdung“, hatte sich Polizeipräsident Rolf Lueken vor seine Beamten gestellt. Allerdings hatte kurz danach zugeben müssen, daß durch die Polizei tatsächlich gefährliche Mittel verabreicht worden seien: „Apomorphin“, ein Brechmittel, das schnell zu Magen und Darmschädigungen führen kann. „Die kotzen sich den Magen aus dem Leib“, so ein Arzt gegenüber der taz.

Bis zum vergangenen Donnerstag hingen diese Vorwürfe über der Polizei. Da allerdings teilte die Staatsanwaltschaft mit, daß sich bei den Ermittlungen keinerlei Anhaltspunkte zur Erhärtung der Vorwürfe ergeben hätten. Generalstaatsanwalt Hans Janknecht hatte in Buten&Binnen die lange Ermittlungsdauer damit gerechtfertigt, daß einige Zeugen schwer auffindbar gewesen seien — sofern es keine Polisten waren.

Diese Begründung ist nun ebenso ins Wackeln gekommen, wie die Einstellung der Verfahren. Im Fall des Wesemann-Mandanten hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich auf sehr dünner Papierbasis entschieden. Der Afrikaner hatte angegeben, mit Viehtreibern traktiert worden zu sein. Außerdem habe er Brechmittel schlucken müssen. Beide Vorwürfe wurden jetzt aus nur einem Grund abgewiesen: Der Afrikaner habe einen Tatzeitraum angegeben, der angesichts der polizeilichen Unterlagen nicht stimmen könne. Dieser Widerspruch reichte zur Einstellung, er reichte offenbar aber nicht, den Afrikaner ein zweitesmal zu befragen, um die Differenzen zu klären. Seine erste Vernehmung war seine einzige, obwohl er sich immer noch in Bremen aufhält. Rechtsanwalt Wesemann: „Mein Mandant steht zur Verfügung.“

Der Afrikaner hatte angegeben, schwer mißhandelt worden zu sein, dennoch scheint zu diesem Fall kein einziger Polizist befragt worden zu sein. Und das trotz gegenteiliger Ankündigungen: Noch im April dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft dem Anwalt Wesemann die Vernehmung der Beamten des dritten Reviers angekündigt. Das war schon mehr als ein Jahr nach den ersten Berichten. Nur passiert ist seitdem offensichtlich nichts. Das schließt Wesemann aus der dürren Begründung die er zur Einstellung des Verfahrens bekommen hat.

Wesemann spekuliert nun, daß im Fall seines Mandanten nur eine „Sammelbefragung durch den Revierleiter“ stattgefunden haben könnte. Aber so genau kann der Anwalt diese Frage nicht beantworten: Akteneinsicht hat er bis heute nicht erhalten. Wesemann hofft nun, so schnell wie möglich das Aktenstudium nachholen zu dürfen, um dann möglicherweise neue Ermittlungen einleiten zu können. „Wir haben von Anfang an auf zügige Ermittlungen gedrängt.“ Schließlich seien die Schwarzafrikaner nicht ewig in der Stadt. „Sonst besteht die Gefahr, daß schlicht über die Zeitabläufe alles entschieden wird.“

Jochen Grabler

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