Polizeiruf 110: Kampf um ein Hurenkind

Zwischen Luden-Rhetorik und Bordell-Folklore: "Polizeiruf 110: Eine Maria aus Stettin" (So., 20.15 Uhr, ARD)

Prostituierte Maria (Agata Buzek) kämpft um ihr Baby. Bild: NDR/Dirk Plamböck

In der Welt der Luden gibt es klare Hierarchien. Erst kommt der Zuhälter, dann sein Kampfhund, schließlich der Handlanger. Als Rotlichtgröße Gregor (Frank Giering) ins Gefängnis muss, kann sein leicht debiler Lakai "Speedy" (Dirk Borchardt) endlich die Rangordnung umdrehen. Die Töle namens Tyson wird fortan hinterm Jaguar hergezogen, und verdreckt sie später den Wagen, gibt es richtig Ärger: "Scheißt du mir noch mal ins Auto, fackel ich dich ab."

Im gediegenen Schweriner Bordell "Bienenstich" wird derweil ein Stammfreier nach Strich und Faden ausgenommen: Weil der verheiratete Fuhrunternehmer Beyer immer Beischlaf ohne Kondom verlangt, hängt man ihm das Kind einer Prostituierten an, für das er gefälligst zu zahlen habe. "Dieses Ohne-Gummi-Ficken-Wollen gehört bestraft", meint die mäßig gutherzige Puffmutter ganz zu Recht.

Luden-Rhetorik und Bordell-Folklore: Man muss es schon etwas rustikaler mögen, um diesem "Polizeiruf" zu folgen. Als Sozialreport geht er nicht durch - als tragikomische Versuchsanordnung zum Thema Liebe und Ausbeutung entwickelt er jedoch eine gewisse Dringlichkeit.

Das Drehbuch stammt von Eckhard Theophil, der auch die Vorlage zur preisgekrönten Knacki-Komödie "Der Boxer und die Friseuse" geliefert hat, in welcher der schwule Held um die Liebe seines nicht ganz so schwulen Mithäftlings wirbt. Im "Polizeiruf" nun wird die polnische Prostituierte Maria (Agata Buzek) zur emotionalen Kämpferin, die ähnlich vergeblich um Zuspruch und familiäre Vervollständigung ringt. Denn die junge Frau, die gerade ein Kind bekommen hat, ist dem einsitzenden Gregor in blinder Liebe ergeben - während der Zuhälter gleich dreifach an ihr verdient: weil er sie auf den Strich schickt, weil er durch sie fremdgehende Männer erpressen kann und schließlich auch noch weil er Marias Neugeborenen an ein solventes kinderloses Paar verscherbelt.

Der Krimiplot zu illegalen Adoptionsgeschäften, die bereits zwei Tote verursacht haben, gerät in "Eine Maria aus Stettin" (Regie: Stephan Wagner) allerdings schnell in den Hintergrund. Ermittler Hinrichs (Uwe Steimle) kippt gleich zu Anfang schmerzvoll von der Leiter und aus der Handlung, Tellheim (Felix Eitner) indes wird nach einem One-Night-Stand mit einer Kollegin mit der eigenen Beziehungsunfähigkeit konfrontiert.

So aufgesetzt diese Nebenhandlung wirkt, so machtvoll kommt der Kampf der Hure um ihr Kind daher. Die Polin Agata Buzek, die man zuvor im radikalen Psychodrama "Valerie" als abgehalftertes Ex-Supermodel um eine Art Restwürde kämpfen sah, bleibt bei all dem burlesken Bordell-Bohei um sie herum stets nur eines: brachial reales Muttertier. CHRISTIAN BUSS

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.