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Polizeibericht ist „beschönigend“

■ Eiertanz um Vernichtung der Fotos inhaftierter Rumänen im Lumpen-Look. „Gefährliche“ Reißverschlüsse aus Plastik

Der Polizeiskandal um inhaftierte Rumänen, die von 1990 bis 1994 ausrangierte Trainingsanzüge ohne Reißverschlüsse tragen mußten, löst erneut erheblichen Wirbel aus. Aus einem von Innensenator Jörg Schönbohm unterzeichneten Bericht an das Abgeordnetenhaus geht hervor, daß „die Dienststellen angewiesen (wurden), bei Feststellung derartiger Lichtbilder diese verschlossen dem LKA 62 zur Vernichtung zuzuleiten“. Ein entsprechendes Schreiben sei bereits am 3. Mai, also drei Wochen nachdem der Panorama-Bericht bundesweit Empörung ausgelöst hatte, versandt worden.

„Die Polizei will offenbar Beweismittel vernichten“, erklärte gestern der rechtspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Norbert Schellberg. Die Fotos seien die einzigen Dokumente, mit denen sich die Vorfälle beweisen ließen.

„Es werden keine Fotos vernichtet und es sind auch keine Fotos vernichtet worden“, nahm Polizeipressesprecherin Gabriele Gedaschke diesen Teil des Berichtes zurück. Ziel sei vielmehr, die Fotos beim LKA „zu sammeln“. Sie wollte allerdings nicht ausschließen, daß die Fotos zu einem späteren Zeitpunkt aus datenschutzrechtlichen Gründen vernichtet werden. Weil der Innenausschuß vor der Sommerpause den Bericht nicht diskutieren konnte, wurden die Beratungen verschoben.

Um der Beratung nicht vorzugreifen, war die Polizeisprecherin zu weiteren Auskünften nicht bereit. Die Senatsverwaltung für Inneres ging auf Distanz zu dem Bericht: Es handle sich um einen Bericht des Landeskriminalamtes, den der Innensenator nur unterzeichnet habe, weil er der Überbringer an das Parlament sei, erklärte Schönbohms Pressesprecher Thomas Raabe. „Wir können uns inhaltlich nicht dazu äußern“, so Raabe. Die Anweisung zur Vernichtung der Fotos habe der Polizeivizepräsident Dieter Schenk erteilt.

Der bündnisgrüne Abgeordnete Schellberg kritisierte, der Bericht trage wenig zur Aufklärung der polizeilichen Verfehlungen bei. Nachdem die Vorwürfe 1991 bekanntgeworden seien, habe die Polizei nur dafür gesorgt, daß kein Richter die unzureichende Bekleidung zu Gesicht bekam. Zu diesem Zweck seien einige unbeschädigte Trainingsanzüge beschafft worden.

„Völlig unverständlich bleibt, warum das Fehlverhalten für keinen der beteiligten Polizisten dienst- oder strafrechtliche Folgen hat“, kritisierte Schellberg weiter. Einzig der Beamte, der verdienstvollerweise die Mißstände öffentlich gemacht habe, solle dafür belangt werden.

Polizeioberkommissar Wolfram Polewczynski, der den Skandal öffentlich gemacht hatte, sprach von einem „beschönigenden Bericht“. Die grün-weißen Trainingsanzüge der Polizei hätten damals schon allesamt Plastikreißverschlüsse gehabt. Eine Verletzungsgefahr habe nicht bestanden.

Aus dem Bericht geht nicht hervor, wie viele Rumänen die zerrissenen Kleidungsstücke tragen mußten. Indirekt wird eingeräumt, daß Dilettanten am Werk waren: Ganzkörperaufnahmen mit polizeilicher Bekleidung seien „für Zwecke des Erkennungsdienstes (Wiedererkennen) unbrauchbar“. Dies sei polizeiintern nicht ausreichend erkannt worden. Dorothee Winden

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