Polizei: Eine Frage der Transparenz
Sollen Polizisten durch Namensschilder oder individuelle Nummern kenntlich gemacht werden? DieseFrage wird in den norddeutschen Bundesländern neu debattiert, nachdem in Berlin eine Entscheidung gefallen ist.
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch machts vor: Zum 1. Januar 2011 tritt in der rot-rot regierten Stadt per Betriebsvereinbarung eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten in Kraft. Dann müssen alle Beamte Namensschilder an der linken Brusttasche der Uniformjacke tragen. Bei sogenannten geschlossenen Einheiten wird die bereits existierende vierstellige Nummer um eine Nummer ergänzt, so dass jeder Beamte individuell identifizierbar ist. Geschlossene Einheiten sind Teams, die immer in derselben Besetzung agieren.
Die Berliner Dienstanweisung hat auch die Diskussion um die Kennzeichnungspflicht in den Nord-Ländern neu belebt. "Wir nehmen das in unser Wahlprogramm auf", sagt die Innenpolitikerin der Hamburger Grün-Alternativen Liste, Antje Möller. "Wir werden die Sache politisch weiter verfolgen." Noch schneller ist die Linksfraktion. "Wir haben einen fertigen Gesetzentwurf in der Schublade", sagt die Innenexpertin der Linken, Christiane Schneider. "Wir haben erörtert, den Entwurf noch vor den Neuwahlen in die Bürgerschaft einzubringen."
Vor eineinhalb Jahren hatte sich der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft für eine Kennzeichnung von Polizisten stark gemacht. Denn von 1.000 Strafanzeigen, die binnen zweieinhalb Jahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt gemacht worden waren, waren nur zwei zur Anklage gekommen. "Häufig ist der Täter nicht zu ermitteln", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Ehlers.
Die Ermittlungen von Polizisten ist besonders bei geschlossenen Einheiten der Landesbereitschaftspolizeien sowie der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheiten (BFE) oft sehr schwierig.
Eine bedingte Kennzeichnung gibt es bei diesen Einheiten schon heute: Sie tragen auf den Helmen Nummern oder auf den Rücken Embleme.
Durch eine Nummer identifizierbar ist zum Beispiel in Hamburg eine Hundertschaft sowie der einzelne Zug der Hundertschaft - "32" steht für 3. Hundertschaft, 2. Zug, jedoch bleibt der behelmte einzelne Beamte nach außen hin in einer größeren Gruppe anonym, da ein Zug aus bis zu 25 Beamten bestehen kann.
Corpsgeist verhindert dann in der Regel die Ermittlung des Einzeltäters, weil die Kollegen ihn decken und nichts gesehen haben wollen.
Die parlamentarische Mehrheit von CDU, der damals mitregierenden GAL und der SPD plädierten aber dafür, keine Gesetzesänderung vorzunehmen, sondern eine einvernehmliche Richtlinie mit dem Personalrat zu erarbeiten. Daraus ist wegen des Widerstandes der Innenbehörde und der Polizei-Gewerkschaften nichts geworden.
"Wir setzen weiter darauf, einen möglichst breiten Konsens zu erzielen", sagt der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel. Es bringe nichts, die Kennzeichnung durch eine Verordnung zu erzwingen. Er verweist darauf, dass bereits 1995 vom damaligen SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat ausgehandelt worden sei, die Fußstreifen und gewisse Dienstgrade zum Tragen von Namensschildern verpflichtet.
Das rot-grün regierte Bremen befindet sich weiter in Warteposition. "Es steht Unentschieden", sagt der Sprecher von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), Rainer Gausepohl. "Es gibt Leute, die sind dafür, es gibt Leute, die sind nicht dafür. Wir warten erstmal die Erfahrungen aus Berlin ab."
Den Vorstoß der Grünen und der Linkspartei, per Gesetzesinitiative die Debatte um die Kennzeichnungspflicht im schleswig-holsteinischen Landtag zu beleben, schmetterte die schwarz-gelbe Übergangsregierung Ende September ab. "CDU und FDP wollen mit aller Macht eine Kennzeichnungspflicht verhindern und Experten-Meinungen ignorieren", sagt der innenpolitische Sprecher der Linken, Heinz-Werner Jezewski. Die Szenen aus dem Stuttgarter Schlosspark belegten, wie schnell Polizisten zu "Rambos" werden können.
Wenig Aussicht auf Erfolg hat auch der Vorstoß des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter. Nach den Vorschriften können Polizisten in Meck-Pomm im Streifendienst Namensschilder tragen, aber sie müssen nicht. "Lediglich bei Einsätzen von geschlossenen Einheiten ist das Tragen von Namensschildern nicht vorgesehen. Daran werden wir auch festhalten", sagt Innenminister Lorenz Caffier (CDU).
Bereits im März hatte Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann dem Tragen von Namensschildern oder der Vergabe von Nummern eine Abfuhr erteilt, nach dem die Linkspartei eine Gesetzesinitiative gestartet hatte. Die Zuordnung zur jeweiligen Einheit würde ausreichen, sagte Schünemann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!