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■ Polizei stürmt von Immigranten besetzte Kirche in ParisGewisse Sympathie für Underdogs

Die brachiale Beendigung der fünfmonatigen Pariser Odyssee von 300 afrikanischen Immigranten durch den Polizeisturm auf die Kirche Saint-Bernard kommt – paradoxerweise – keiner Totalniederlage des „besseren Frankreich“ gleich. Immerhin dürften jetzt die Behöden weitaus mehr Immigranten als ursprünglich vorgesehen die Aufenthaltsgenehmigung gewähren. Davon profitieren hauptsächlich Einwanderer mit Kindern. Damit hat die gaullistische Regierung faktisch jene Gesetzesänderung unterlaufen, die der Rechtsgaullist Charles Pasqua als Innenminister 1993 durchboxte und die das jahrhundertealte französische „Recht des Bodens“, also die Staatsbürgerschaft für in Frankreich geborene Kinder, schmälert.

Vor allem aber zeigte das Klima dieses Konflikts – zum Erstaunen aller Beteiligten –, wie tief eine gewisse spontan-humanistische und wohl auch ein wenig antistaatliche Tradition in die französische Bevölkerung reicht. Noch bis vor einer Woche hatten Regierungskreise Umfragen angekündigt, die beweisen würden, daß eine erdrückende Mehrheit der Franzosen die Abschiebung der Afrikaner wünsche. Die Solidaritätsbewegung, so höhnten Regierungsvertreter, würde sich auf linksradikale Grüppchen und gauche caviar (linke Schickeria) beschränken. Davon ging auch ein Teil der sozialistischen Oppositionsführer aus und hielt sich entsprechend bedeckt. Dann aber veröffentlichte Frankreichs Boulevardblatt, Le Parisien eine Umfrage, wonach 50 Prozent der Franzosen für die Immigranten „Sympathie“ empfänden. 56 Prozent befürworteten Verhandlungen.

Freilich, für beide moderaten Politlager Frankreichs, die Mitte-Rechts-Regierung und die Sozialisten, stellen die 30 Prozent, die laut obiger Umfrage „keine Sympathie“ für die Afrikaner empfanden, eine wahlentscheidende Schlüsselgruppe dar. Diese 30 Prozent entsprechen jenem Potential, das bei Umfragen regelmäßig „Übereinstimmung mit den Ideen“ des Rechtsaußen Le Pen äußert. Seine Front National ist weiterhin in den meisten urbanen Krisenzonen im Vormarsch, quasi im Gleichschritt zum neuerlichen Anstieg der Arbeitslosenrate Frankreichs (zuletzt 12,5 Prozent). Um so beachtlicher ist die nunmehr offenbarte Beständigkeit und Vitalität antirassistischer Reflexe in Frankreich. Danny Leder

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