Polizei durchleuchtet Schiffspassagiere: Datenpiraten in Uniform
Künftig soll die Bundespolizei die Daten aller Schiffspassagiere erhalten. Wer die Daten noch bekommt, ist bisher ungeklärt - ebenso wie die Speicherungsdauer.
Während die Regierung noch darüber streitet, ob die Polizei Daten von Fluggästen künftig jahrelang speichern darf, könnte dies für Schiffspassagiere bald Wirklichkeit werden. Wie ein Gesetzentwurf der schwarz-roten Koalition vorsieht, sollen die Daten von Fahrgästen künftig automatisch an die Bundespolizei weitergeleitet werden.
Für die "Gewährleistung des grenzpolizeilichen Schutzes" und ganz allgemein "zur Gefahrenabwehr" bekommen die Beamten künftig neun Angaben zugeschickt - vom Namen über die Nummer des Ausweises bis hin zum Abfahrts- und Ankunftshafen. Nahezu unbemerkt hat das Gesetz den Bundestag passiert, nun muss am 15. Februar noch der Bundesrat zustimmen.
"Mit diesem Gesetz geht wieder ein Stück Freiheit verloren", sagt Patrick Döring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Als einzige haben die Liberalen das Gesetz abgelehnt. Döring stört sich insbesondere daran, dass die Sicherheitsbehörden immer mehr Daten darüber sammeln, wie sich Menschen bewegen. "Die USA speichern die Angaben aller Flugpassagiere, in der EU wird gerade etwas Ähnliches diskutiert und bei den Autofahrern scannt die Polizei die Nummernschilder",sagt der FDP-Verkehrsexperte, "wenn das so weitergeht, können die Behörden bald lückenlos verfolgen, wo sich jemand befindet und von welchem Ort er dort wie hingekommen ist."
In der Regierungskoalition kann man mit dieser Kritik gar nichts anfangen. "Bereits nach altem Recht konnten Daten aus dem Seeschifffahrtsbereich gesammelt werden", sagt Dirk Fischer, Verkehrspolitiker der Fraktionen von CDU/CSU. "Aufgrund der Spezialmaterie musste nur eine klarstellende Regelung geschaffen werden." Ähnlich argumentiert auch das Verkehrsministerium. Tatsächlich wurden die meisten der Passagierdaten für den Fall eines Schiffsunglücks schon zuvor dem Havariekommando gemeldet. Diese Behörde von Bund und Küstenländern kümmert sich unter anderem um Unfälle auf See. "Aber erst mit diesem Gesetz werden die Personendaten zentral polizeilich erfasst, gespeichert und genutzt", sagt FDP-Politiker Döring, "darin liegt die neue Qualität."
Wie viele Menschen von der staatlichen Datensammlung betroffen sind, ist unklar. Das Gesetz gelte für "alle Fahrgastschiffe, die einen deutschen Hafen anlaufen", heißt es in einem Schreiben von Karin Roth, Staatssekretärin im Verkehrsministerium. 29 Millionen Fahrgäste zählte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden im Jahr 2006. Allerdings prüft das Amt nicht die Identität der Personen, sondern zählt nur ob jemand in einem Hafen ankommt oder abfährt. Viele Passagiere wurden also mit großer Sicherheit mehrfach erfasst.
Unklar ist bisher ebenso wie lange die Daten gespeichert und an wen sie sonst noch weitergegeben werden sollen. Bisher war klar: Wenn kein Schiffsunglück geschieht, dann vernichtet das Havariekommando die Daten. Wie das künftig funktionieren soll, weiß auch das Verkehrsministerium nicht genau: "Ob überhaupt und wie lange einzelne Daten gespeichert werden, richtet sich nach der jeweiligen Rechtsgrundlage", sagt ein Sprecher des Ministeriums. "Die Dauer der Speicherung ist abhängig vom Zweck, für den die Daten benötigt werden." Eine Sprecherin der Bundespolizei kann ebenfalls nichts Konkretes sagen: "Das wird in Berlin entschieden."
Auch wer die Angaben über die Passagiere sonst noch bekommen könnte, wurde bisher nicht festgelegt. Im Gesetzentwurf steht dazu nur, "die Einzelheiten der Datenübermittlung" sollten das Innenministerium und das Verkehrsministerium "durch Rechtsverordnung" unter sich ausmachen. In dieser seien auch "die Dritten, an die die Daten übermittelt werden dürfen, näher zu bestimmen." Darauf wird der Bundestag jedoch keinen Einfluss mehr haben, denn Verordnungen erlassen die Ministerien ohne Zustimmung des Parlaments.
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