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Politologe über Italiens Linksopposition"Die Gefahr der Auflösung ist real"

Die große, linke Oppositionspartei PD kann den sozialen Bewegungen Italiens keinen Anknüpfungspunkt bieten, kritisiert der Politologe Piero Ignazi.

Trotz Teilnahme an Anti-Berlusconi-Demos: "Wir erleben da eine Partei in tiefer Krise, die durch ihre inneren Gegensätze blockiert wird." Bild: dapd
Michael Braun
Interview von Michael Braun

taz: Herr Ignazi, die letzte Regierungskrise, die am Dienstag mit dem Vertrauensvotum für Silvio Berlusconi endete, war im Kern ein politischer Zusammenstoß innerhalb der Rechten, zwischen Berlusconi und seinem früheren Partner Gianfranco Fini. Welche Rolle spielte eigentlich die große linke Oppositionskraft, die Demokratische Partei (PD)?

Piero Ignazi: Gar keine. Die PD glänzte durch Abwesenheit, sie hatte keine Vorschläge, die die politische Auseinandersetzung hätten beeinflussen können. Wir erleben da eine Partei in tiefer Krise, die durch ihre inneren Gegensätze blockiert wird.

So geht es ja den meisten Parteien der gemäßigten Linken in Europa. Überall sind die sozialdemokratischen Kräfte in der Krise. Italien wäre da keine Ausnahme - oder?

Bild: uni bologna
Im Interview: 

Piero Ignazi, 59, ist Professor für Politikwissenschaften in Bologna, Parteienforscher und seit 2009 Chefredakteur der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift "Il Mulino".

Doch, Italien stellt durchaus einen Sonderfall dar. Immerhin hatte die PD bei ihrer Gründung 2007 - als die Fusion zwischen den Linksdemokraten und der Mittepartei "Margherita" erfolgte - ja für sich reklamiert, über sozialdemokratische Horizonte hinausgegangen zu sein, etwa mit dem Pakt zwischen sozialdemokratischem und linkskatholischem Reformismus. Das kam sehr ambitiös daher, da wurde der Anspruch geäußert, die PD könnte auch über Italien hinaus ein Modell für die Linke des 21. Jahrhunderts sein. Dieser Anspruch darf als gescheitert gelten, weil jede programmatische Unterfütterung ausblieb.

Eigentlich stand die PD vor zwei Jahren doch gar nicht so schlecht da. Zwar hatte Berlusconi die Wahlen gewonnen, aber die PD hatte 33 Prozent erzielt. Mehr noch: Die radikale Linke war aus dem Parlament verschwunden - und die PD konnte so zur großen Linkspartei aufsteigen. Warum hat das nicht geklappt?

Die parteiinternen Feinde des damaligen Vorsitzenden Walter Veltroni gingen sofort nach den Wahlen hin und erklärten unermüdlich, die Partei habe eine furchtbare Niederlage erlitten, und das, obwohl sie mit 33 Prozent das beste Resultat erreicht hatte, das einer gemäßigt linken Partei in Italien je gelang. Von da an hat sich die Partei nur noch mit ihren inneren Konflikten beschäftigt, bis Veltroni zurücktrat. Jetzt ist Pier Luigi Bersani Vorsitzender, aber weiterhin verharrt die Partei in ihrer tiefen Depression.

Neben und außerhalb der PD ist ja einiges in Bewegung: Zum Beispiel das "MoVimento 5 Stelle" des Komikers Beppe Grillo, zum Beispiel das Popolo Viola, die "lila Leute", die vor einem Jahr aus dem Stand hunderttausende Menschen gegen Berlusconi auf die Straße brachten, zum Beispiel jetzt die mächtige Protestbewegung an den Unis. Warum gelingt es der PD nicht, aus diesem Bewegungen neue Kraft zu saugen?

Man muss den Befund der Depression ernst nehmen, gleichsam als psycho-politischen Befund. Die Depression hindert die Partei an jeglicher Initiative. Einem unter Depression Leidenden fällt es ja schon schwer, auch nur einen Arm zu heben. Die Partei ist nicht in der Lage, den genannten Bewegungen irgendeinen Anknüpfungspunkt zu bieten. Schlimmer noch: Wenn sie es täte, brächen sofort heftige interne Konflikte über die richtige Haltung zu diesen Bewegungen auf. Am Ende behandelt die Partei dann jede außerhalb ihrer Reihen stehende Opposition zu Berlusconi ausschließlich als Konkurrenz.

In den letzten Wochen machte die parteiinterne Bewegung der "Verschrotter" um den 35-jährigen Bürgermeister von Florenz Matteo Renzi viel von sich reden. Renzi fordert einen radikalen Generationenwechsel und damit die "Verschrottung" der bisherigen Führungsgarde. Eine Perspektive für die Partei?

Die Partei bräuchte dringend eine radikale Erneuerung, so gesehen hat Renzi völlig recht. Zugleich ist unübersehbar, dass bei ihm Narzissmus und persönliche Ambitionen eine große Rolle spielen. Für sich genommen wäre auch dies noch politische Normalität. Und der Partei kann der von Renzis Bewegung ausgehende Enthusiasmus nur gut bekommen. Auf der Versammlung in Florenz vor einigen Wochen waren tausende Teilnehmer, da atmete man echte Aufbruchstimmung. Aber inhaltlich hat Renzi bisher keinerlei überzeugende Vorschläge.

Ihr Befund klingt so, als gebe es ernste Gründe zur Besorgnis. Wird es in drei oder fünf Jahren die PD überhaupt noch geben?

Die Sorge um das Überleben der Partei ist durchaus real. Gut möglich, dass die PD implodiert, dass sie zerbricht. Und danach? Denkbar ist, dass die Partei der Linksdemokraten wiederbelebt wird. Aber ganz gewiss riskiert die Linke dann, im italienischen Parteiengefüge immer marginaler zu werden.

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5 Kommentare

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  • I
    Icke

    Die meisten Italiener die ich in Italien kenne finden Berlusconi schlecht bis grottenschlecht. Das Einzige was sie noch schlechter finden ist die linke Opposition. Lieber einen Mafiosi als Chaos. Das gilt vom Norden bis Rom. Unterhalb von Rom sei Afrika sagt der spöttische Volksmund. Auch unterhalb von Rom. Da ist die Wut riesig aber die Alltagsprobleme dank der Mafia so groß, daß die Leute gar keine Illusionen mehr haben. Auf eine linke Opposition wie die deutsche Toscanafraktion der Politiker und Journalisten sie sich erträumt gibt man da nichts. In Bari oder Palermo würden sie schon einen Duce wählen wenn der ihnen eine ordentliche Müllabfuhr und ein funktionierendes Krankenhaus garantieren würde. Wer es nicht glaubt soll mal nach Bari oder Neapel fahren. Wer findet Griechenland sei ein Problem, sollte nicht vergessen, daß es 11 Millionen Griechen gibt aber 60Millionen Italiener. Links und rechts hat in Italien keine besonders dogmatische Bindungskraft, auch wenn man es bei ausschließlichem Kontakt zu linken Gruppen villeicht nicht glaubt. Deshalb ist da Vieles möglich und es könnte leicht sein, daß sich mancher Berlusconi bald als kleineres Übel zurückwünscht. Seit der sichtbaren Unfähigkeit mit Leuten wie Sarrazin zu reden, auch mal unbequeme Realitäten zu akzeptieren und der hilflosen Reaktion große Teile der Volksmeinung medial auszublenden wäre ich nicht so sicher was bei uns so alles kommen kann. Die Linken Europas haben auf vieles nicht nur keine Antworten, sondern ignorieren gerne die Realität zugunsten der Theorie. Wer es nicht glaubt soll mal nach Ungarn sehen. Da kann man sehen wie es für Linke am Ende ausgehen kann.

  • ???

    @ Boris "Ja genau Boris und in bezug auf Italien nehmend, Berlusconi for ever." Bitte Gott lass Hirn vom Himmel fallen....

  • B
    Boris

    Die Linken gehören abgewrackt!!!

  • S
    Südi

    "Depression" ist der falsche Ausdruck - komplette Inkompetenz wäre richtiger.

     

    Es ist doch bezeichnend, dass ein einzelner Showman mehr Vertrauen bei den Wählern erringen kann als das gesamte politische Establishment von links bis weit in die Mitte hinein.

  • S
    Schulz

    Abgesehen davon, dass ich mir eine sozialist komm

    Partei im Lande des Papstes kaum vorstellen kann,

    wahrscheinlich haben wir auch in Deutschland

    kathol Verhaeltnisse in der Linken...

    ist in Afghanistan KRIEG; ohne dass Deutschland

    von innen oder aussen durch dieses Land angegriffen wird.

    Natuerlich bringt dies in das gesamte Globale

    politische Machtkaempfe hinein.

    In der Kindheit beteten wir um eine Welt ohne Waffen,

    ohne Kriege...

    dafuer taten wir alles ohne Waffen und ohne Krieg.

    Jetzt ist es nur schlimmer geworden.