Politologe Schroeder über hessisches Kabinett: "Ypsilanti fühlt sich stark genug"
Die SPD-Rechte könnte der große Verlierer bei der Postenaufteilung in Hessen sein, meint Politologe Wolfgang Schroeder.
taz: Herr Schroeder, kann Andrea Ypsilanti nach Jürgen Walters Kritik noch Ministerpräsidentin werden?
Wolfgang Schröder: Ja, die Chance ist nach wie vor da. Aber das Risiko ist größer geworden.
Wer ist denn Schuld an dem Zerwürfnis: Ypsilanti oder Walter?
Schwer zu sagen von außen. Im Ergebnis hat sie sich für Scheer und gegen Walter entschieden. Sie hat das Wirtschaftministerium so aufgeteilt, dass der Verkehr herausgebrochen ist. Wer nun Minister für Verkehr und Europa wird, hat vermutlich das Problem, dass ein Teil der nötigen Kompentenzen beim Wirtschaftsminister angesiedelt ist.
Hätte Rot-Grün mit Walter als Wirtschaftsminister die Energiewende nicht ad acta legen müssen?
Keinesfalls. Man hätte Scheer ein Ministerium für Europa und erneuerbare Energien geben können, in Arbeitsteilung mit Al Wazir. Das wäre möglich gewesen.
Warum hat Ypsilanti das nicht getan?
Offenbar fühlt sich stark genug, ihren innerparteiliche Gegner nicht generös einzubinden.
Ist die SPD-Rechte - ohne Walter - denn ausreichend im Kabinett vertreten?
Die Rechte wollte drei Ministerposten, die hat sie bekommen. Die Rechte könnte aber der große Verlierer bei den parteiinternen Jobs werden, denn der Posten des Fraktionsvorsitzenden, des Generalsekretärs und des Paralamentarischen Geschäftsführers geht bzw. verbleibt bei der Linken.
Kann Rot-Grün funktionieren, wenn Walter nicht in die Kabinetts- und Fraktionsdisziplin eingebunden ist?
Ypsilanti scheint genau dies zu glauben. Offenbar meint sie, dass Walter in den Medien mächtiger erscheint als er in Wahrheit ist. Seine Rolle im innerparteilichen Spiel ist wohl wirklich kleiner als die Öffentlichkeit glaubt.
Ist Walters öffentliche Kritik an der SPD-Chefin eigentlich ein Zeichen von Stärke - oder von Schwäche?
Ganz eindeutig von Schwäche. Öffentlich direkt nach den Koalitionsverhandlungen derartig nachzuharken, war ein Fehler. Ypsilanti sieht sich nun erst recht in der Meinung bestärkt, dass Walter zu unreif ist, um in Regierung und Fraktion eine herausragende Rolle zu spielen.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE
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