Politische Lösungen gesucht : KOMMENTAR VON RALF SOTSCHECK
Die Reaktionen der britischen Regierung auf die Bombenanschläge vom Donnerstag und zwei Wochen zuvor waren vorhersehbar. Das macht sie nicht besser. Offenbar haben die Politiker nichts aus der Vergangenheit gelernt. Damals, Mitte der Siebzigerjahre, hatte die Irisch-Republikanische Armee (IRA) in Birmingham und Guildford Kneipen in die Luft gesprengt, und fast 30 Menschen starben.
Die Politiker machten „katholische Extremisten“ dafür verantwortlich und berieten mit dem Klerus, wie man die irregeleiteten Fanatiker in den Schoß der Gemeinschaft zurückführen könne. Die Medien fielen über eine Hand voll katholischer Priester her, die der IRA nahe standen oder sie nicht entschieden genug verurteilten. Nun sollen die muslimischen Führer die extremen Elemente auf den rechten Weg zurückführen. Und wieder zerreißen die Medien jene Imame in der Luft, die keine Asche auf ihre Häupter streuen.
Die Anschläge von damals wie die von heute hatten vorrangig keine religiösen Motive. Indem man lediglich nach den Tätern sucht, kommt man nicht wirklich weiter. In Nordirland bedurfte es einer politischen Initiative der IRA, bis eine politische Lösung zumindest in den Bereich des Möglichen rückte. Im Fall al-Qaidas ist damit allerdings nicht zu rechnen.
Umso wichtiger, dass man nicht die Fehler wiederholt. In Nordirland hatte die britische Regierung Anfang der Siebzigerjahre Internierungen ohne Anklage eingeführt. Sie wurden ausschließlich gegen Katholiken angewandt, die monatelang unschuldig im Gefängnis saßen. Es war das wichtigste Rekrutierungsargument für die IRA. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA hebelten die Politiker den Rechtsstaat erneut aus – in Guantánamo Bay, aber auch in Großbritannien, wo „verdächtige Muslime“ seit Jahren ohne Anklage einsitzen.
Natürlich sind das nicht die Ursachen für die Bombenanschläge, aber sie tragen dazu bei, dass auch in Großbritannien diejenigen Organisationen konstanten Zulauf haben, die zur Gewalt bereit sind. Mit einer Verschärfung von Gesetzen und dem weiteren Abbau bürgerlicher Freiheiten, wie sie die britische Regierung jetzt plant, sind solche Anschläge nicht zu verhindern.