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Polens Regierung lechzt nach mehr Macht

Warschau (dpa) — Polens Regierung will beim Parlament Sondervollmachten beantragen, die mit Ausnahme von Verfassungsänderungen, Steuergesetzgebung und Wahlordnung praktisch alle Gebiete umfassen. Die linksliberale Tageszeitung 'Gazeta Wyborcza‘ veröffentlichte am Samstag den Entwurf, der am kommenden Dienstag dem Ministerrat vorgelegt werden soll und danach vom Parlament gebilligt werden muß.

Dem Entwurf zufolge soll die Regierung die Möglichkeit erhalten, unter Umgehung des Parlaments auf siebzehn verschiedenen Gebieten Dekrete mit Gesetzeskraft zu erlassen. Dazu gehören Privatisierung und Reprivatisierung, Bankwesen, Zoll, Devisenrecht, Sozialversicherung, Beschäftigungs- und Lohnpolitik, die Neuordnung der staatlichen Verwaltung sowie das Fernmeldewesen und die Bildungsreform. Die Dekrete sollen drei Monate über die erste Sitzung des am 27. Oktober zu wählenden neuen Parlaments hinaus Gültigkeit haben.

Begründet wird dieser auf Anregung von Staatspräsident Lech Walesa hin ausgearbeitete Antrag damit, daß die Regierung angesichts der akuten Wirtschaftskrise auch in der Wahlkampfzeit in der Lage sein müsse, effektiv zu handeln. Die Regierung hatte sich mehrfach beklagt, daß wichtige Gesetzentwürfe zu lange im Parlament liegen und somit Reformen im Lande blockiert werden.

Das Parlament hat inzwischen für besonders dringende Vorhaben einen schnelleren Gang eingelegt. So wurde die Steuerreform am Freitag verabschiedet. Die dem ehemaligen Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki nahestehende 'Gazeta Wyborcza‘ meinte, dieser Entwurf sei eine Gefahr für die gerade erst beginnende Demokratie und führe zu einem totalitären System.

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