Polens Präsident Walesa in Deutschland: Das mühsame Geschäft mit den Geschäften
■ Fast schon beschwörend hält Lech Walesa die deutsche Industrie zu Investitionen an. Doch die ist erst zu einem Engagement in Polen bereit, wenn die...
Das mühsame Geschäft mit den Geschäften Fast schon beschwörend hält Lech Walesa die deutsche Industrie zu Investitionen an. Doch die ist erst zu einem Engagement in Polen bereit, wenn die Bedingungen, etwa niedrige Lohn- und Sozialkosten, stimmen.
Es geht Polen nicht um Hilfe, sondern um eine Zusammenarbeit, von der alle profitieren.“ Immer beschwörender, aber auch zunehmend resignierter klingt Lech Walesa, der diesen Satz seit Beginn seines Besuches am Montag bei jeder Gelegenheit vorträgt. Bei seinen abschließenden Gesprächen heute in Berlin und Frankfurt/Oder dürfte er noch einmal versuchen, Gehör für seinen Appell zu finden. Zwar gab es viele schöne Worte von Kohl und Weizsäcker über den Bau „möglichst vieler Brücken“. Und auch das Bonner Protokoll für die erste Visite eines polnischen Staatspräsidenten seit 1945 war vom Feinsten. Doch jenseits der schönen Atmosphäre hat der Besuch bislang kaum konkrete Ergebnisse erbracht.
Die jüngsten Daten vermitteln auf den ersten Blick zwar ein positives Bild der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen: 29 Prozent aller polnischen Exporte gehen in die BRD, aus der zugleich ein Viertel der polnischen Importe kommen. Von 1990 auf '91 stieg der Wert des deutsch- polnischen Handels um acht Prozent auf 15,7 Mrd. Mark. Allerdings fand diese Zunahme ausschließlich zwischen den alten Bundesländern und Polen statt. Polens Handel mit dem Gebiet der ehemaligen DDR sank hingegen seit 1990 um fast zwei Drittel. Auch Walesa kennt die Gründe hierfür: In den neuen Bundesländern werden kaum mehr Waren hergestellt, weil die alten Betriebe stillgelegt werden und die westdeutsche Wirtschaft kaum Investitionen in den Aufbau neuer Produktionsstätten steckt. Deswegen warnte Walesa bei einem Gespräch mit Vertretern des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), der Umbau der ostdeutschen Wirtschaft könne „kein Vorbild für Polen sein“. Die Ergebnisse dort seien „miserabel“. „Wir Polen können unsere Betriebe nicht kaputtgehen lassen.“
Doch Walesas Wunsch nach verstärkten Investitionen stieß auf große Zurückhaltung bei westdeutschen Wirtschaftsvertretern. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Weiß, reagierte kühl und stellte drei Vorbedingungen: eine Fortsetzung der Reformen, die Bezahlung zumindest der Zinsen für die über 40 Milliarden Mark Auslandsschulden sowie eine Garantie für dauerhaft niedrige Lohn- und Sozialkosten. In einem Papier von Wirtschaftsminister Möllemann werden weitere Gründe genannt, warum deutsche Unternehmen bislang kaum Investitionen tätigten: die „problematischen Bedingungen“, Grund und Boden zu erwerben; ein „mangelhafter“ Ausbildungsstand von Verwaltungsangestellten, ein „schlecht funktionierendes“ Bankensystem sowie bürokratische Hürden in der Verwaltung.
Walesa mahnte immer wieder, nur die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Polen und in anderen osteuropäischen Staaten durch westliche Investitionen könne drohende Unruhen verhindern. Er setzt dabei auf „die Lokomotive Deutschland, die uns zu dem reicheren Teil des Kontinents schleppt“. Die deutsche Wirtschaft ist zu Investitionen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit in dem nötigen Umfang aber erst bereit, nachdem sich die Lage in Polen verbessert hat und zudem zu Bedingungen (etwa Niedriglöhne), die das wirtschaftliche Ost-West-Gefälle festschreiben. Ein Teufelskreis. Andreas Zumach, Bonn
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