Polens Kirche bleibt sich treu : KOMMENTAR VON GABRIELE LESSER
Nun ist es raus: Der frühere Stasi-Spitzel Stanisław Wielgus wird doch nicht Erzbischof von Warschau. Doch eine „neue Chance“, wie man in solchen Krisensituationen gern sagt, bedeutet der Rücktritt des Kirchenmannes nicht.
Die polnische Kirche ist tief gespalten. Auf der einen Seite stehen liberale und weltoffene Geistliche, auf der andern das rechtsklerikale Radio Maryja und seine Millionen zählende Anhängerschaft. Bischof Wielgus aus dem zentralpolnischen Plock stand dazwischen. Möglicherweise traute Papst Benedikt XVI. ihm eine Vermittlerrolle zu. Seine vordringliche Aufgabe wäre die Wiederannäherung und Einigung der Liberalen und der Rechtsklerikalen in Polen gewesen. Nun zeigt die Stasi-Affäre um Wielgus, dass sich die polnische Kirche nicht selbst aus dem Schlamassel ziehen kann.
Schließlich ist es ja nicht der erste Skandal. Und es ist nicht die erste Stasi-Affäre in der polnischen katholischen Kirche. In den letzten Monaten mussten mehrere „moralische Autoritäten“ bekennen, Freunde und Bekannte ausspioniert zu haben. Doch in der Kirche scheint das Prinzip zu herrschen: „Bloß nichts zugeben! Sünden begehen zwar auch wir. Aber das muss der normale Gläubige ja nicht wissen!“ Auch vor dem anderen Lager will man sich keine Blößen geben. Das gilt für Liberale genauso wie für Rechtsklerikale.
So wurde ein Mönch in Krakau, der Licht in die Stasi-Verstrickungen von Geistlichen bringen wollte, mit einem Interviewverbot belegt. Sein Buch wäre fast der Kirchenzensur zum Opfer gefallen. Primas Glemp nannte ihn gar einen „Stasi-Mann der schlimmsten Sorte“. Doch die meisten Gläubigen standen aufseiten des Mönchs. Am Ende musste sich Glemp entschuldigen. Auch das Buch kann nun erscheinen.
Die seit langem versprochene Aufarbeitung von Schuld und Verrat in den Reihen der Kirche jedoch blieb aus. Kommissionen wurden gegründet. Versprechungen gemacht. Barmherzigkeit für die Sünder gefordert. Doch es geschieht nichts. Und es sieht nicht danach aus, als würde irgendjemand in der katholischen Kirchenhierarchie Polens den Mut haben, dieses schwierige Thema anzugehen. Es gibt keinen Neuanfang in Polens Kirche. Die Affäre ist ein Fanal des Versagens.