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Polarisierende Frauenfiguren im Comic: Tank Girl und Serpieris DruunaStille Größe und gewalttätiger Chic

■ Der 2. Comic-Salon wirbt für ein schillerndes Medium in 14 Ausstellungen / Eine Auswahl Von Till Briegleb

Tank Girl und Druuna eint mehr als sie trennt. Sie leben beide in einer apokalyptischen Welt, in der Gut und Böse mit dem Messer getrennt werden können und wo Problemlösungen folglich alleine durch Gewalt erreicht werden. Beide sind nicht klug und werden deswegen immer wieder die Opfer von Männergewalt. Beide sind immer wollüstig und unverletzlich und beide sind Resultate männlicher Phantasie. Dennoch gibt es entscheidende Aspekte, die zu einer völlig unterschiedlichen Behandlung der beiden zu Kultfiguren ausgerufenen Frauengestalten geführt haben. Neben der gegensätzlichen Stimmung der Geschichten – die englischen Tank Girl-Comics von Jamie Hewlett und Alan Martin sind ironisch, optimistisch und naiv, die italienische Morbus Gravis-Serie von Serpieri ist düster, ernst und pessimistisch – und den unterschiedlichen Zeichenstilen werden beide Figuren vor allem an den unterschiedlichen Enden der Sexismus-Skala geführt.

Während man Tank Girl zum neuen Symbol weiblichen Selbstbewußtseins unter dem Stichwort „Girlie-Generation“ erhoben hat, wird Morbus Gravis immer wieder zur Zielscheibe pauschalisierender Sexismus-Anklagen. Wiewohl beides einen wahren Kern hat, sind die Überhebungen zu Pro-und-Contra-Ikonen kaum haltbar. Denn so sehr Tank Girl einen gewissen Zeitgeist treffen mag, so wenig läßt sich dieser weibliche Rambo in Vivien Westwood-Garderobe über das Niveau naßforschen, blauäugigen Selbstbewußtseins heben, wo eine Diskussion über Frauenrollen überhaupt erst eine neue Qualität gegenüber Bravo-Girl-Stories bekäme. Und so richtig bei Morbus Gravis die Beobachtung ist, daß hier männliche Gewaltphantasien ausgelebt werden, so sehr muß man doch ein Plädoyer für die intellektuelle Vielschichtigkeit der von Alien, Blade Runner und der Schauspielerin Valérie Kaprisky inspirierten vierteiligen Reihe halten. Der Zündstoff, den das Thema dennoch sicherlich bietet, kann auf zwei Podien verschossen werden.

Die Welt-Hänger-Bewegung kennt ihn längst, seit knapp einem Jahr auch in Deutschland. Buddy Bradley, der Held von Peter Bagges Leck mich!-Heften, ist zwar gar kein Held, sondern die ziemlich genau beobachtete Figur eines zeitgenössischen Hippies, aber darin finden sich viele Gleichgesinnte gerne wieder.

Bagge zeichnet hier den Prototyp einer Spezies nach, die ihren Lebenserfolg weder an einer Karriere noch an Intellektualität, politischem Bewußtsein oder sozialen Empfindungen bemessen, sondern einzig und allein daran, wie man die Freiräume des Kapitalismus geschickt für die eigene Bequemlichkeit nutzt. Mit Jobs und Versuchen kleingewerblicher Selbsständigkeit, Interesse für Comics, Musik, Kino und Drogen und einer spießigen Anti-Spießigkeit, deren Triebfeder sowohl Egoismus als auch Familiensehnsucht sein kann, wurschteln sich diese Millionen von Erwachsenen durch ihre Lebenszeit.

In diesem Zusammenhang entwickelt BB seine bescheidene Klugheit und seinen würdigen Charme. Zu Hause in Seattle leben er und seine flankierenden Figuren wie Girly-Girl oder Stinky den Spaß ewiger Adoleszenz. Als Manager einer Rockband oder Händler mit Comics erlebt Buddy die sogenannte amerikanische Subkultur ohne Glorifizierungen im Stile von Wayne's World. Peter Bagge zeichnet auf, was sich in miefigen Küchen, schedderigen Autos, billigen Imbissen und nikotindunklen Clubs für Dialoge entspannen. Die Präzision des Alltäglichen ist die Qualität seiner Comics, auch wenn er nicht auf zeichnerische Grotesken und Überteibungen im Stile von MAD-Geschichten verzichtet.

Als Alex Barbier 1975 in Frankreich mit ersten Veröffentlichungen in Charlie mensuel auftauchte, wagte er es, einen radikalen Wandel in den Möglichkeiten des Comics zu definieren. Der damals 25jährige erkundete nämlich die Malerei als Mittel der Bandes Dessinées und brach damit ein in die festgefügte Welt der colorierten Strichzeichnung. Gleichzeitig verbannte er die Sprechblasen, um „keine Löcher in meinen Bildern zu haben“, zu Untertiteln. Obwohl er mit diesem Verfahren einige Aufmerksamkeit erlangte, waren seine Ausführungen dem Markt dann doch zu radikal. Ab 1982 fand sich kein Verleger mehr. Erst 1992 konnte er mit Bildern zu Naked Lunch ein erneut staunendes Publikum wieder beliefern.

Der auch in Deutschland in Übersetzung erhältliche Band Briefe an den Bürgermeister von V. macht klar, warum sich Barbiers Geschichten nicht so einfach goutieren lassen. In dunklen, bizarren Räumen entwickelt er eine instabile Welt der Stimmungen, voller Erscheinungen, Andeutungen und trisexuellen Exzessen. In seinem Malstil vereinen sich die Metamorphosen von Francis Bacon mit den Popatmosphären David Hockneys und den in sich zusammenstürzenden Kosmi eines William S. Burroughs. Science Fiction, Romantik, Alltägliches und absurde Erzählungen verschlingen sich in mystischen Einzelbildern voller diffuser Details. Die eigenartige Stimmung, die Barbier mit seinen „Gemälden“ erzeugt, widerspricht der Funktion von Spannung und Fluß traditioneller Comics derart, daß die gewohnte Lesegier unbefriedigt bleibt. Vielmehr ist die Grenze von Comic und Kunst hier so weit in den Bereich der Malerei verschoben, daß Barbiers Bücher mehr den Gang durch eine Galerie als das Verschlingen eines Strips fordern.

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