Point'n'Click: Glubschäugige Außerirdische
■ Gut beraten im Cyberspace: „The Multimedia Encyclopedia of Science Fiction“
Ich sage nur: 1,4 Millionen Wörter! So wenigstens schätzen die Herausgeber John Clute und Peter Nicholls den Umfang ihrer „Multimedia Encyclopedia of Science Fiction“. Die CD-ROM- Edition basiert auf einer 1993 veröffentlichten Buchausgabe.
Die audiovisuell eher unspektakulär aufgemachte und elektronische Publikation hat ihrem papiergestützten Pendant ein paar entscheidende Vorteile voraus: Das Kurzschließen des Datenbestands durch sogenannte Hyper- Links ermöglicht es beispielsweise, jeden Querverweis per Mausklick direkt auf den Bildschirm zu hieven – endloses Hin- und Herblättern entfällt zugunsten lustvoller On-screen-Verzweigungslektüre! Kernstück der Enzyklopädie bildet natürlich ein umfassendes Autorenlexikon; darüber hinaus eine Vielzahl von Themen- und Medien-Artikeln rund ums Genre. Anklicken genügt, um eins dieser Speziallexika (etwa zu Filmen, Fernsehserien, Comics) ein- oder auszublenden.
Über gängige Subgenres wie „Alternativwelten“ oder „Space Operas“ wird man genauso ausführlich informiert wie über obskurste Fachtermini von „Big Dump Objects“ bis „Xenobiology“. Andere Artikel beleuchten die Schnittstellen des Genres zu Politik oder Ökologie, Feminismus oder Linguistik. Ein großer Spaß, einfach kreuz und quer durchs vernetzte Spezialwissen zu surfen: von „Zeitreisen“ zu „Post- Apokalypse“ über „Devolution“ zurück zu „Adam & Eva“ (Alfred Bester: „Adam and No Eve“, 1941!) und wieder vor Richtung „Steampunk“ (= Cyberpunk im Dampfmaschinenzeitalter). Fehlt ein Stichwort, kann man die integrierte Wort-Suchfunktion bemühen, die hier sozusagen wie ein dynamischer Buch-Index funktioniert: Hunderte Einträge zu „Raumschiff“, Dutzende zu „Ganymed“ („Buddy Holly Is Alive and Well on Ganymed“, 1991).
Der umfangreiche Deutschland-Artikel stammt übrigens von Hans Joachim Alpers (u.a. Mitherausgeber des bei Heyne erschienenen „Lexikon der Science-fiction-Literatur“) und listet neben bekannten einheimischen Genre-Größen wie Laßwitz, Dominik oder Herbert W. Franke auch jede Menge Vergessene und Verschollene auf.
Einen Quickstart-Einstieg ins Genre bieten die Rubriken „Time Machine“ und „Book Browser“. Erstere parallelisiert auf einem vom 16. Jahrhundert bis heute reichenden Zeitband weltpolitische Ereignisse, Erfindungen und Entdeckungen mit SF-relevanten Meilensteinen und Genre-Anekdoten. Letztere stellt in Kurzbeschreibungen 300 Meisterwerke der SF-Literatur vor – von Frederic Browns abgedrehtem Satire-Klassiker „What Mad Universe“ (1949), in dem General Eisenhower einen Krieg der Sterne gegen glubschäugige Außerirdische führt, bis zu zeitgenössischen Perlen wie Neal Stephensons „Snow Crash“.
Nie mehr ratlos vor Regalen kunterbunter SF-Taschenbücher – das ist doch schon mal was! Ulrich Hölzer
Multimedia Encyclopedia of Science Fiction (Grolier/Bomico). CD-ROM für Windows, ca. 100 DM
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