Pöbeleien gegen Toleranzprojekt: Homophobie in der Fankurve
Fußballfans beziehen in deutschen Stadien mit einem Banner Stellung gegen Homophobie. Die Aktion ist selbstorganisiert - und kommt nicht überall gut an.
BERLIN taz | Angefangen hat alles Mitte des Jahres. Fans von Tennis Borussia Berlin begannen eine Aktion zu einer Aktionswoche des Netzwerkes "Fans against Racism in Europe" zu planen.
Mit logistischer Unterstützung des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg sollte ein lila Banner mit der Aufschrift "Fußballfans gegen Homophobie" und dem Abbild zweier sich küssender Fußballer auf die Reise durch eine Hand voll bundesdeutscher Stadien geschickt werden. Die Aktion wurde schnell zum Selbstläufer.
So reist das Banner mittlerweile seit Monaten durch die Republik und hängt fast jedes Wochenende in einem anderen Stadion. Das Ganze läuft dabei sehr basisnah und selbstorganisiert, wie Christian Rudolph, Sprecher der federführenden Initiative "Fußballfans gegen Homophobie", erläutert: "Wir koordinieren das im Prinzip nur noch. Vor Ort wird die Aktion dann von den jeweiligen Fangruppen durchgeführt." Auch der Transport des Wanderbanners wird von den Gruppen selbst organisiert.
Dabei wird die Aktion von den meisten Fans ausgesprochen positiv aufgenommen. Es kommt jedoch auch immer wieder zu Pöbeleien - vor allem im Internet. Auch als das Banner beim Hamburger SV Station machte, wurde im Gästebuch des Fanprojekts kräftig gepöbelt.
"Solche Reaktionen sind zwar nicht schön, bestätigen uns aber in unserem Engagement", meint David Duddeck, Mitglied der Anti-Diskriminierungs-AG beim HSV, "denn wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen, wäre antidiskriminierendes Engagement ja eigentlich gar nicht mehr nötig". Die Mehrzahl derer, die sich im Internet zu Wort gemeldet haben, ergriff jedoch Partei gegen Homophobie.
"Bafögschwuchteln"
Etwas anders erging es den Fans des VfL Halle 96, als diese Ende Oktober beim Heimspiel gegen Lokomotive Leipzig das Banner in ihren Block hängten. "Die Lok-Fans in unserer Nähe beschimpften uns als ,Bafögschwuchteln', andere sangen das ,U-Bahn-Lied' oder wollten sich prügeln", erinnert sich Thomas Korbmann, Fan des VfL Halle.
"Da Lok das Spiel gewonnen hat, ist es relativ ruhig geblieben. Bei jedem anderen Ergebnis hätte es sehr unangenehm für uns werden können." Die Mehrzahl der eigenen Fans habe jedoch hinter der Aktion gestanden, so Korbmann weiter.
Es bleibt also schwer, nachhaltig etwas gegen die Homophobie unter Fußballfans zu tun. Zwar gibt es mittlerweile wohl fast in jedem Stadion eine kleinere oder größere Zahl von Fans, die diskriminierendes Verhalten klar ablehnen und die auch bereit sind, dagegen vorzugehen. Für viele Anhänger gehört das Beleidigen der gegnerischen Fans und Spieler auch mit dem Wort "schwul" nach wie vor zur Erlebniswelt Fußballspiel.
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