Plastik in der Nordsee: Unsichtbare Müllgefahr im Meer
Forscher warnen: Schädlicher als sichtbarer Abfall im Meer sind mikroskopische Plastikteilchen. Denn die können über Plankton und Fisch auch im Menschen landen.
STOCKHOLM taz Plastik, Styropor und Schaumgummi: Die Müllbelastung der Nordsee macht den Experten des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste der Uni Kiel Sorgen. Demnach gehört die Westküste zu den am stärksten mit Müll belasteten Regionen in der Nordsee - die wiederum als eines der weltweit am meisten vermüllten Meere gilt. Viele Seevögel verletzen sich beim Verschlucken vom Abfall, werden von den darin enthaltenen Chemikalien geschwächt oder verhungern, weil ihr Magen mit Plastik gefüllt ist oder sie sich im Müll verfangen. Und: Mikroskopische Plastikteilchen können über Plankton und Fisch in den menschlichen Körper gelangen.
Auch Untersuchungen vor der schwedischen Westküste ergaben, dass es im Meerwasser von mikroskopischen Plastikteilchen nur so wimmelt. Zwischen 200 und 100.000 solcher Teilchen pro Kubikmeter Meerwasser fand man bei Stichproben, bei denen Siebe und Netze mit Öffnungen von unter 0.01 Millimeter - viel kleiner als bislang üblich - benutzt wurden. Laut dem Marinebiologen Fredrik Norén sind diese Mikroteilchen eine Vergiftungsquelle für Tier und Mensch, die man bislang noch so gut wie gar nicht erforscht hat: "Wir haben keinerlei Ahnung, welchen Effekt das haben kann."
Die Mikroteilchen stammten hauptsächlich vom Abrieb von Tauen und Netzen, wie sie in der Fischerei und im Schiffsverkehr verwendet werden, aber auch von Verpackungsresten und anderen Konsumprodukten - etwa Kleidung aus Nylon und anderen chemischen Materialien, deren Abrieb über Waschmaschinen und Kläranlagen im Meer landet.
Schon vor Jahren für viele Meeresgebiete verhängte Verbote, den Schiffsmüll einfach über Bord zu werfen, haben bislang kaum Wirkung gezeigt. Härtere Strafen gegen Müllsünder und eine kostenlose Entsorgungsordnung in den Häfen gelten als mögliche Rezepte, den Zustand zu verbessern. Zumindest werden mittlerweile Strände in den Touristengebieten regelmäßig vom angeschwemmten Müll gereinigt. Und es gibt Vorschläge, Fischer dafür zu bezahlen, wenn sie den in ihren Netzen gelangten Müll mit an Land nehmen.
Doch helfen all diese Maßnahmen nicht viel beim Umgang mit den mikroskopischen Plastikteilchen. "Sollten sich die Effekte für Umwelt und Gesundheit als schwerwiegend herausstellen, bleiben nur Restriktionen bei der Plastikanwendung", meint Marinebiologe Norén.
Kimo, eine Organisation von Nordseeanrainerkommunen, hat sich nun mit der Ospar-Konvention in London, deren Ziel der Schutz des marinen Ökosystems ist, in Verbindung gesetzt. Gemeinsam sollen umfassende Untersuchungen europäischer Küsten gemacht werden, um eine Übersicht über die Belastung mit mikroskopischen Plastikteilchen zu bekommen.
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