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Plagiatsvorwürfe an Koch-MehrinRückzug aus der Angriffszone

Auch Silvana Koch-Mehrin soll bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben. Sie legt alle FDP-Ämter ab, behält aber ihr Mandat. Die EU-Parlamentsfraktion will zu ihr halten.

Was nu? Silvana Koch-Mehrin legt ihre Ämter ab. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit Respekt und Bedauern nahmen FDP-Politiker am Donnerstag den Rücktritt von FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin zur Kenntnis. Die 40-jährige Europaabgeordnete hatte am Mittwochabend ihre Parteiämter niedergelegt, will ihr Abgeordnetenmandat aber zunächst behalten. Ihre Fraktionskollegen im EU-Parlament trafen sich am gleichen Abend zur Krisensitzung. "Wir waren bestürzt, aber stehen solidarisch hinter ihr", sagte EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis der taz.

Am Dienstag hatte der Tagesspiegel berichtet, dass die Universität Heidelberg ein Verfahren gegen Koch-Mehrin eingeleitet habe, um ihr den Doktortitel abzuerkennen. Die Universität prüft seit April Plagiatsvorwürfe gegen ihre einstige Doktorandin, die von anonymen Wissenschaftsdetektiven über das Internet verbreitet werden. Auf vroniplag.wikia.com sind derzeit Plagiatsfunde auf 63 Seiten der Doktorarbeit dokumentiert.

Aus FDP-Kreisen hieß es, der Rückzug sei Koch-Mehrins persönliche Entscheidung gewesen, die Parteispitze habe keinen Druck ausgeübt. Koch-Mehrins Sprecher, Georg Streiter, erläuterte gegenüber der taz: "Meines Wissens ist Frau Koch-Mehrin sehr verärgert darüber, dass Einzelheiten aus dem laufenden Prüfverfahren der Uni Heidelberg an die Öffentlichkeit gelangt sind, bevor es abgeschlossen ist." Das soll nach Auskunft der Universität Anfang Juni der Fall sein.

Für die Nachfolge Koch-Mehrins als Leiterin der FDP-Delegation bewarben sich am Donnerstag zwei Abgeordnete: der Außenpolitikexperte Alexander Graf Lambsdorff und Alexander Alvaro. Zwischen ihnen dürfte es in der Delegation zu einer Kampfabstimmung kommen.

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8 Kommentare

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  • P
    PacificXY

    Ich frage mich, warum die Dissertationen ehemaliger Stasi- und SED- Mitarbeiter nicht unter die Lupe genommen werden. Ich kenne einen Fall in Magdeburg, in dem 6 Stasimitarbeiter nur eine einzige Doktorarbeit abgeliefert haben, die sie nicht einmal selbst geschrieben haben, Alle sechs haben den Dr.jur. bekommen und tragen ihn heute noch mit Stolz. Allerdings ist diese Arbeit ebenso wie die von Herrn Bartsch nicht mehr auffindbar. Diese Leute spielen heute wichtige Rollen in der Politik.

    Ich nehme stark an, dass die systematische Prüfung der Doktorarbeiten von Mitgliedern der schwarz-gelben Koalition von kriminellen ehemaligen Stasi-Mitarbeitern gesteuert wird. Sie wird zudem durch die Neigung vieler Deutscher zum Denunziantentum und deren Blockwartmentalität gefördert.

    Manche Habilitationen in der Medizin basieren meiner Kenntnis nach auf wissenschaftliche Arbeiten, die schon vorher erschienen waren und nur geschickt neu formuliert wurden.

    Jedefalls macht sich die Presse unglaubwürdig, die aus politischen Affinitäten Poliker mit einmaliger Penetranz unter die Lupe nimmt, deren Verschulden vergleichsweise gering war.

  • G
    guntherKummerlande

    Wenn das Ansehen der Politiker nicht

    vollends den Bach runtergehen soll,

    dann muss die Mandatsniederlegung bei

    erschlichenen akademischen Titeln die zwingende

    Konsequenz sein. Alles andere tut doch nicht weh!

    Der Austritt aus der FDP, die gerade ihre

    schwerste Existenzkrise durchmacht, ist eher

    eine Erleichterung fürs Herz oder wen macht

    die Selbstzerfleischung noch Spaß?

    Koch-Mehrin hat nicht weiter das Recht Pensionsansprüche, Zulagen oder Monatsgehälter zu

    kassieren.

    Ebenso wie andere Scharlatane mit falschen Titeln

    getäuscht haben zum Beispiel als Oberärzte ohne

    aber praktische Behandlungen ausgeführt zu haben

    und dafür ihres Amtes enthoben worden

    und sogar noch Gefängnisstrafen antreten mußten.

    Ebenso muß auch Koch-Mehrin aus den Amt entfernt

    werden.

    Ihre Position als Delegierte im EU-Parlament

    mit zahlreichen Kontakten zu europaweit

    extrem wichtigen Entscheidungsträgern und

    ihre eigenen Machtbefugnisse sind nicht minder

    kritisch. Unsere höhsten Repräsentanten müssen

    höhsten Ansprüchen (wenigstens moralischen) genügen.

    Von Haftstrafen spricht hier ja schon niemand mehr,

    weil keiner die Verantwortung der Politiker

    wirklich noch achtet.

    Frau Käßmann hat deutlich mehr Format bewiesen.

    Die typische Politikerstrategie eigene Verfehlungen

    zu tabuisieren, auszusitzen und totzuschweigen,

    muß zum Scheitern gebracht werden.

    Das Schicksal der Völker muß wichtiger sein,

    als das Schicksal von politischen Verantwortungsträgern, die ihre Glaubwürdigkeit

    verspielt haben.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Nicht mehr zu halten

    Die FDP POlitikerin Koch-Mehrin war nicht mehr zu halten,der Druck von innen und außen wurde immer größer.So dass ihr nur noch blieb,den Stuhl zu räumen und den Hut zu nehmeIn einer Partei,wo es Spendenaffären gab,antisemitische Äußerungen eines Jürgen Möllemann,wo die Grand Dame der FDP Dr Hildegard Hamm-Brücher aus der FDP austrat,jetzt Plagiat von der FDP POlitikerin Koch-Mehrin,was muss noch geschehen bis die Partei FDP sich aus der Parteienlandschaft vom Standort Deutschland verabschiedet.

  • H
    Hans

    Das Koch-Mehrin nicht die Qualität für eine Doktorarbeit haben kann, sieht man an ihrer Einschätzung zu unseren Schulden

    http://www.youtube.com/watch?v=1gVSRXrJVjk

  • IS
    ina stachelhaus

    Es ist befremdlich, das Frau Koch-Mehrin von allen Ämtern zurücktritt, ihr Mandat aber behalten will.

    Es legt den Verdacht nahe, das sie auf das zweifellos großzügige Gehalt nicht verzichten will.

    Warum fällt es Politikern und Politikerinnen bloß so schwer, nach ihrem Leben in der Politik wieder mit dem Geld zu verdienen, was sie mal gelernt haben?

    Es sind Menschen wie andere auch und diese-oft lebenslangen-Privilegien sind unangemessen und unfair.

  • C
    Celsus

    Können CDU und FDP nicht eine doppelte italienische Lösung wählen?

     

    Zum einen könnten sie das Erschleichen von Doktortiteln für straffrei erklären. Arbeitnehmer sollten deswegen keine Kündigung erhalten dürfen: Die wurden ja schließlich seltenst für das eingestellt, worüber sie promoviert haben (Merkel´sche Lösung).

     

    Zum anderen sollte einfach Leuten, die erfolgreich das Studium abgeschlossen haben im Rahmen der zunehmenden Europäisierung aller Bereiche erlaubt werden, sich Dottore oder zu deutsch Doktor zu nennen. In Italien muss nach erfolgreichem Studium niemand mehr extra promovieren.

  • R
    reblek

    "Auch Silvana Koch-Mehrin soll bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben. Sie legt alle FDP-Ämter ab, behällt aber ihr Mandat." - Das "hallt" dann wohl heftig nach, wie?

  • B
    Branko

    Ein schöner, passender Tippfehler:

    "behällt ihr Mandat"

    - also im Sinne von hallen, von wegen Echo, weil hohl :-))))