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„Pizza-Prozeß“ zur Hälfte geplatzt

■ Nötigung einer Angestellen: Gastronom muß 10.500 Mark Geldstrafe zahlen

Am Beispiel des gestern zu Ende gegangenen Prozesses gegen einen Pizza-Lieferanten, der in zwei Fällen wegen sexueller Übergriffe vor dem Richter stand, wird erneut deutlich, wie schwierig es für Opfer sexueller Gewalt ist, vor Gericht Gerechtigkeit zu erfahren.

Fest steht, die 37jährige blinde Frau K. hat vor der Polizei ausgesagt, P., der Besitzer eines Restaurants im Grindelviertel, habe sie am 4. Juni vorigen Jahres anläßlich der Auslieferung einer Pizza sexuell belästigt und anschließend per Telefon bedrängt. Er soll der behinderten Frau in ihrer Wohnung den Rock hochgeschoben, den Finger in die Scheide gesteckt und gesagt haben: „Ich will dich ficken“. Den Restaurantbesitzer beschuldigte sie, weil sich der Pizza-Lieferant an der Haustür mit dessen Namen vorgestellt hatte.

Doch nach anderthalb Verhandlungstagen, diversen Unschuldsbeteuerungen des Angeklagten und der Vernehmung seines Kompagnons, der aussagte, P. habe zu jenem Zeitpunkt gar nicht gearbeitet, wurde bekannt, daß Frau K. nicht vor Gericht erscheinen kann. Es sei eventuell möglich, die Zeugin zu Hause zu vernehmen, ließ deren Krankenpflegerin telefonisch ausrichten. Der Richter stellte daraufhin das Verfahren vorläufig ein, „auch um der Dame einen Auftritt hier zu ersparen“. Denn aufgrund der Prozeßsituation erscheine es ihm „unwahrscheinlich, daß wir dem Angeklagten die Tat nachweisen können“. Als „wenig befriedigend“ bezeichnete die Staatsanwältin diese Wendung, ginge doch aus der Akte hervor, daß P. „diese Taten nicht wesensfremd sind“. So wurden insgesamt vier Vorfälle sexueller Übergriffe zur Anzeige gebracht, zwei davon gegen eine Geldbuße von 5000 Mark eingestellt.

Blieb gestern der zweite Anklagepunkt. Die Restaurant-Angestellte G. hatte bereits am ersten Prozeßtag ausgesagt, ihr Chef habe sie am 2. August vorigen Jahres im Restaurantflur bedrängt und gegen ihren Willen geküßt. Schließlich habe er ihr eine goldene Kette angeboten und gesagt, sie könne von ihm alles haben. Als sie sich verweigerte, habe er sie an den Haaren gezogen, aus dem Lokal geworfen und beschimpft. Bis heute habe sie Angst, von diesem Mann vergewaltigt zu werden. Während der Aussage war die Frau sichtlich mitgenommen, zitterte und fing mehrmals an zu weinen.

Auch diesen Vorfall bestritt der Angeklagte, der im übrigen von einer „Story“ sprach, die die Kellnerin in die Welt gesetzt habe, „um aus mir einen Wüstling zu machen“. Zwar hätte er sich am besagten Tag mit G. um den Dienstplan gestritten, aber dies vor Zeugen sichtbar mitten im Gastraum.

Tatsächlich sagte ein Stammgast aus, es sei bei dem Streit „zu keinen Handgreiflichkeiten gekommen“. Dennoch schenkte der Richter der Aussage der Angestellten mehr Glauben. Es sei, so der Richter, nicht sicher, ob der Zeuge einen entscheidenden Teil der Szene mitbekommen habe, dann nämlich, als sich beide in den Flur zurückzogen.

P. wurde wegen Nötigung zu 70 Tagessätzen a 150 Mark verurteilt. Ob er das Urteil annimmt, ist noch offen. Kaija Kutter

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