Pinkwart im Rechen-Chaos

FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart wirbt für allgemeine Studiengebühren – und kennt sein eigenes Gesetz nicht: Wer wann wie viel zahlen muss, weiß der Liberale nicht

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Steilvorlage für die Opposition: NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) glänzte gestern bei der Vorstellung seines Gesetzes „zur Erhebung von Studienbeiträgen“ mit Unkenntnis. Wer wann Studiengebühren in welcher Höhe zahlen muss, konnte der stellvertretende Ministerpräsident auch auf Nachfrage nicht korrekt darstellen. Pinkwart, vor seinem Einstieg in die Politik Professor für Chaosforschung, betreibe „Täuschung der Öffentlichkeit“, sagte SPD-Fraktionsvize Marc Jan Eumann.

Nach den Plänen der Landesregierung soll jeder Studierende die ab Sommersemester 2007 fälligen Gebühren von bis zu 500 Euro pro Semester auch über ein Darlehen finanzieren können (siehe Kasten). Zinsen für diesen Kredit fielen erst zwei Jahre nach Ende des Studiums an, warb Pinkwart. Doch das ist nachweislich falsch: Zinsen werden ab dem ersten Semester fällig – und die können bei entsprechend langer Studiendauer schnell mehrere tausend Euro betragen. „Bis zum Beginn der Rückzahlung wird die Zahlung der Zinsen gestundet“, heißt es dazu im Entwurf des „Innovationsministers“.

„Pinkwart kennt sein eigenes Gesetz nicht“, freut sich Eumann. „Der Minister wäre gut beraten, diesen Referentenentwurf in der untersten Schublade seines Schreibtisches verschwinden zu lassen, denn da gehört er hin.“ Auch das Risiko steigender Zinsen – nach Schätzung der Landesregierung derzeit rund sechs Prozent jährlich – müsse allein von den Studierenden getragen werden, kritisiert Karl Schultheis, hochschulpolitischer Sprecher der SPD im Düsseldorfer Landtag. Die von CDU und FDP eingeforderten Studiengebühren für jeden seien „sozial nicht vertretbar“. Sie hätten eine abschreckende Wirkung auf Studienanfänger, meint die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann: „Ich hätte unter diesen Bedingungen kein Studium begonnen.“

Eine „Mogelpackung“ sei auch Pinkwarts Projekt einer „Geld-zurück-Garantie“, die bei schlechten Studienbedingungen greifen soll. „Es gibt in dem Gesetzentwurf keine einklagbare Garantie“, hält SPDler Schultheis fest: „Das ist heiße Luft.“ Zuvor hatte Pinkwart einräumen müssen, dass mit den Leistungen ihrer Hochschule unzufriedene Studierende lediglich ein universitätsinternes Gremium werden anrufen können. „Wir wollten massenhafte Rechtsstreitigkeiten verhindern“, so der Minister kleinlaut – in der Vergangenheit hatte Pinkwart angekündigt, seine „Geld-zurück-Garantie“ als einklagbares Recht im Gesetz verankern zu wollen.

Die Landesregierung verabschiede sich nicht nur aus ihrer hochschulpolitischen Verantwortung, sondern aus der für gleiche Bildungschancen, so SDP-Fraktionsvize Eumann: „Das ist ein Abkassiermodell zu Lasten der Bildung.“ Pinkwart könne „seine Koffer packen“, findet auch die Hochschulexpertin der grünen Landtagsfraktion, die für Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn nachgerückte Ruth Seidl. „Die Erhebung von Studiengebühren, die Sozial- und Härtefallklauseln, die Geld-zurück-Garantie“ – alles überlässt der Minister den Hochschulen, beklagt Seidl „die Abschaffung der Hochschulpolitik“.

Pinkwart muss deshalb zunächst mit einer Blockade vieler Universitäten rechnen. Zwar haben sich der Senat der RWTH Aachen wie der Rektor der Universität zu Köln für die Einführung von Studiengebühren für alle ausgesprochen. Der Senat der Universität Münster dagegen spricht sich gegen Pinkwarts Gesetz aus. Auch die Ruhr-Universität Bochum will wie die Hochschulen Düsseldorf und Duisburg-Essen vorerst keine Studiengebühren kassieren. Der Entwurf des Liberalen Pinkwart sei von einer „gesetzgeberischen Regelungswut“ geprägt, heißt es aus Münster – und die erzeuge nur neuen „bürokratischen Aufwand beim Land und bei den Hochschulen“.