: Philosophie und Kung Fu
■ „Philosophische Geschichte(n)“, Hessen3, Mo. 22.40 Uhr
Ich weiß nicht, ob es an meiner Stimmung lag, oder am Genre. Jedenfalls schlich sich, so nach 15 Minuten, ein Verdacht ein: Philosophie und Fernsehen, das geht irgendwie nicht zusammen. Peter Sloterdijk wurde porträtiert, in seinem Haus in Südfrankreich und in schönster Umgebung. Und er sagte gewiß auch richtige und wichtige Dinge, über die Krise des „Zur Welt Kommens“ und die Krise des Glaubens, daß Menschen überhaupt „ganz“ zur Welt kommen können. Aber im Unterschied zu seinem letzten Buch, „Eurotaoismus“, in dem dies alles, für meinen Geschmack hervorragend und eindringlich, niedergeschrieben ist, klang es hier so seltsam weit weg und belanglos.
Daß Philopsophie eine Balance zwischen Tiefsinn und Leichtsinn zu sein habe, daß es weniger um hohe Geistes sondern um konkrete Lebenskunst geht, daß Philosophie das stärkste Anti-Depressivum ist, wenn sie die Kunst des Lavierens einübt, daß Abgründe zum Absturz führen können aber auch zur Kunst des Fliegens einladen, daß die Menschen abgestürzte Göttervögel sind, daß der Absturz in die Welt ständig wiederholt wird - auf der Bühne, als Drama, daß Vernunft nichts Statisches ist, sondern etwas Prozeßhaftes... All dies fand in der Sendung Erwähnung, aber es rauschte an mir vorbei. Eine halbe Seite Sloterdijk scheint einer halben Fernsehstunde weit überlegen. Als dann vom „Mut zu sein“ die Rede war nahm ich mir den Mut, die anderen Programme durchzuzappen - und blieb bei einem Kung Fu Film aus Hongkong hängen, der sich in Folge mit dem Philosophen abwechseln mußte. Er markierte für mich genau das andere Extrem: Während Philosophie gelesen werden muß, gibt es für Kung Fu überhaupt kein anderes Medium als Film man stelle sich die choreographierten Kampfszenen, die wirblenden Fäuste, Füße und Fersen, schriftlich vor. Es geht nicht. Ob Philosophie im Fernsehen genau so wenig geht, darüber mag man sicher noch ausführlich streiten Montagabend jedenfalls erwiesen sich Bruder Cheng und seine Mannen dem Philosophen weitaus überlegen.
Mathias Bröckers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen