piwik no script img

Philippinische ArbeitsmigrantenDie Arroganz der Wohlhabenden

Eine Kolumnistin des "Manila Bulletin" mokiert sich über Filipinos, die im Ausland schuften müssen, um daheim ihre Familie ernähren zu können.

Mit Leuten aus Vierteln wie diesem, möchte Kolumnistin Malu Fernandez nichts zu tun haben. Bild: dpa

PHILIPPINEN/MANILA taz Filipinos gelten als freundlich, gutmütig und um Konfliktvermeidung bemüht. Gewiss, die politische Oberschicht hat wenig Hemmungen, ihre Gegner von vermummten Pistolenmännern niederknallen zu lassen. Gewiss, im Süden des philippinischen Archipels kämpft die Armee seit Jahrzehnten einen grausamen, endlosen Kampf gegen moslemische Rebellen, die ihre Kriegsgefangenen gerne mal mit dem Bolo-Messer enthaupten. Und, gewiss, hin und wieder liest man in der Zeitung von Spiel- oder Zechrunden, bei den drei Männer, zwei Flaschen Rum und ein Schießgewehr mit verhängnisvollen Folgen aufeinandertreffen. Aber wir wären nicht in den Philippinen, wenn die Überlebenden dieser alkoholschwangeren lokalen Version des malaiischen Amuks am nächsten Morgen bei ihrer Verhaftung nicht von einem bedauerlichen "Missverständnis" sprechen würden, weswegen einer der Zechkumpanen über den Haufen geschossen wurde - nie wegen eines handfesten Streits.

Besonnenheit im Umgang miteinander empfiehlt sich in einem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung in Slums und auf dem Land ein mehr als einfaches Leben führen, während sich eine kleine, superreiche Minderheit an einem Luxusleben in Shopping Malls und Gated Communities erfreut. Die meisten Philippinenbesucher beginnen sich nach zwölf Stunden im Lande zu fragen, wann hier ob solcher himmelschreienden sozialen Ungerechtigkeit eine Revolution ausbrechen wird. Doch die ist bisher ausgeblieben. Die Armen und die Reichen, wenn sie sich denn je begegnen, tun geflissentlich so, als würden sie die dramatischen sozialen Unterschiede nicht bemerken.

Umso lauter der Aufschrei, wenn jemand diese unausgesprochene Verabredung einmal nicht einhält. So wie eine Lifestyle-Kolumnistin der Tageszeitung Manila Bulletin, die zuletzt einen Artikel veröffentlichte, der vor Ressentiments gegen die Overseas Foreign Workers (kurz: OFW) nur so strotzte. Diese Gastarbeiter - die als Hausmädchen, Monteur oder Koch in Hongkong, Singapur oder dem Nahem Osten ein mageres Gehalt verdienen, weil sie in den Philippinen keine Arbeit finden - sind inzwischen ein gewichtiger ökonomischer Faktor in den Philippinen geworden. Zehn Prozent der Filipinos arbeiten - unter oft an Sklaverei grenzenden Bedingungen - im Ausland, und ohne die Überweisungen an die Familie zuhause wäre die Wirtschaft des Landes wahrscheinlich schon lange zusammengebrochen.

Malu Fernandez, die Kolumnistin von Manila Bulletin, hat für sie trotzdem keine Sympathien. Auf dem Weg in ihren Sommerurlaub in Griechenland musste sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass ihr Flugzeug via Dubai in den Arabischen Emiraten flog - ein Staat, der ohne philippinische Gastarbeiter wahrscheinlich gar nicht existieren könnte. "Ich hätte mir am liebsten die Pulsadern aufgeschnitten, als mir klar wurde, dass ich mit denen in einem Flugzeug eingesperrt werden würde", schreibt sie in ihrem Reisebericht. Warum nur hatte sie Economy Class gebucht? Auch auf dem Rückflug - nach ausführlichem Shopping in den Malls von Athen - lassen sie die proletarischen Massen nicht in Ruhe. Wieder ist sie von OFWs umgeben, "die nach billigem AXE und Charlie-Parfüm riechen, während sich mein Jo Malone in der Luft verflüchtigt." Nur der Gedanke daran, dass sie in den Philippinen bald wieder am Strand tropische Cocktails schlürfen kann - und zwar unter dem in Griechenland erstandenen "fabelhaften Hut" -, lässt sie die Unannehmlichkeiten der Reise überstehen.

Die Redaktion des Manila Bulletin wurde nach diesem Artikel von wütender Leserpost überhäuft, aber die Autorin legte in ihrem Blog noch nach: "Auch wenn es für einige elitär klingen mag, ist es nun mal eine Tatsache, dass unser Land auf der Grundlage von denen, die haben, denen, die nicht haben, und denen, die gerne hätten, existiert. Eine dieser Gruppen wird nie die Kultur der andere verstehen … Ich lege auch gar keinen Wert darauf, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen zu überbrücken. Ich überlasse das den Politikern in meiner Familie, die glauben, sie könnten helfen."

Wahrscheinlich denken viele reiche Filipinos so und halten bloß den Mund. Wenn man etwas nachdenkt, fallen sie einem schon ein - die Bemerkungen von wohlsituierten Bekannten darüber, wie lästig die blinden Musiker auf dem Bürgersteig sind, wenn man es eilig hat. Oder die Witze über den Wachmann am Eingang des Restaurants und seine schlecht sitzende Uniform. Die Lifestyle-Kolumnistin des Manila Bulletin wurde inzwischen ihrer Aufgaben enthoben. Der Rest der Upper Class denkt sich seinen Teil lieber im Stillen und hinter dem Schutz der verdunkelten Fenster ihrer SUVs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • MR
    Michael Reckordt

    Ich glaube, es ist nicht nur das Unverständnis, sondern auch eine große Angst, die in den Mittelschicht und darüber vor den urbanen Armen herrscht.

    Ein philippinischer Soziologe einer renomierten Privat-Universität musste sich z.B. wütende Elternanrufe gefallen lassen, weil er seine StudentInnen am Ende einer Exkursion nicht wieder direkt an der Privat-Universität entließ, sondern diesen den Weg mit der MRT/LRT von Ortigas aus zumutete.

    Viele Kinder und Jugendliche kommen mit den urbanen Armen gar nicht in Kontakt. Sie leben in einer Scheinwelt, in der sie von Gated Community zur Schule / Universität kutschiert werden und in der Freizeit in die Shopping Mall. Alles luxuriöse Paläste, die weit in die Außenwelt schimmern, von denen aber man von innen nicht nach außen schauen kann.

    Aber, und auch hier muss man aufpassen, nicht alle in der Mittelschicht sind gleich. So viele engagierte NGOler wie in den Philippinen findet man nur in wenigen Staaten Asiens, wenn überhaupt in einem anderen.

  • WE
    Wolfgang Ende

    Bravo!

     

    Der Artikel triff den Nagel auf den Kopf.

    Die Schicht derer, die auf Grund welcher Umstände auch immer zu Geld kommen sind, haben nicht das geringste Interesse daran, etwas am Status Quo zu ändern. Warum auch, schließlich leben diese Leute von diesen billigen Arbeitskräften (Maid, Yaya, Driver, Gardener,...).

    Philippinos arbeiten nicht ohne Not als OFW, meist bleibt aber von dem nur geringfügig höheren Einkommen bei der Rückkehr oder beim vielleicht jährlichen Besuch zu Weihnachten oder Ostern nur wenig übrig.

    Teilweise herrscht schon in der Mittelschicht die Meinung vor, daß die Ärmeren für ihre Situation selbst verantwortlich sind.

    Kein Wunder also, daß für Philippinos mit höherem Bildungsniveau und Leistungsbereitschaft, aber geringem Einkommen, Länder wie die USA oder Deutschland immer noch das "Land of Dreams" sind.

     

    W. Ende

    (seit 2 Jahren beruflich in Manila/Phils)