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Archiv-Artikel

Pfründe und Identitäten

Der Neu-Zuschnitt der Wahlkreise sorgt in Niedersachsen für Krach an allen Fronten: CDUler fürchten um ihren Job, die SPD um ihre letzten Hochburgen. Hamburg schaut zu

hannover/hamburg taz ■ Von Selbstauflösung des CDU-Kreisverbands und von „existenzgefährdender Schwächung des Schaumburger Landes“ war die Rede – nicht nur im Süden Niedersachsens sorgen die Pläne von CDU- und FDP-Fraktion zum Neuzuschnitt der Wahlkreise für heftigen Krach vor allem in den eigenen Reihen. Vor der Sommerpause hatten sich die Mehrheitsfraktionen darauf geeinigt, zur Wahl im Jahr 2008 die reguläre Abgeordnetenzahl im Landtag von 155 auf 135 zu senken. Nun wird seit Monaten darum gerungen, entsprechend auch die Zahl der Direktmandate und Wahlkreise von 100 auf 87 zu verringern. Da die CDU bei der vorigen Wahl 91 Wahlkreise gewann, fürchten nun nicht wenige Abgeordnete um ihre Pfründe.

„Wir werden immer irgendeinem auf die Füße treten müssen“, sagte gestern Fraktionschef David McAllister bei der Vorstellung der Zuschnitte, die CDU und FDP im November im Landtag beschließen wollen. Immerhin gehe er im Moment von einer „Einsparung von jährlich drei bis vier Millionen Euro“ durch die Wahlkreisreform aus, betonte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Althusmann.

Weil durch die geplante Dreiteilung des Schaumburger Wahlkreises die historisch gewachsene „Identität“ der Region gefährdet sei, hatte sich sogar Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe eingeschaltet, ein FDPler. Carsten Lehmann, Geschäftsführer der FDP-Fraktion, bestätigt, dass er in dieser Angelegenheit „mit der fürstlichen Hofkammer telefoniert“ habe. CDU-Landtagspräsident Jürgen Gansäuer soll zum Gerangel trocken angemerkt haben, auch das ehemalige Königreich Hannover sei nicht identisch mit den Wahlkreisgrenzen – das kratze da aber niemanden.

Währenddessen fürchtet die SPD darum, dass ihre letzten Hochburgen geschliffen werden. Fraktionschef Sigmar Gabriel könnte um seinen Wahlkreis Goslar bangen, großes Geschrei gibt es in Hannover. Dass die Zahl der Wahlkreise in der Landeshauptstadt von sieben auf fünf gesenkt wird, ist kaum strittig. Vielmehr ärgerte sich Hannovers SPD-Vorsitzender Walter Meinhold darüber, dass die SPD-Hochburg Vahrenwald mit dem ebenfalls traditionell sozialdemokratischen Linden fusionieren soll – aus zwei mach‘ einen.

Mit Argusaugen blicken Hamburgs Abgeordnete derweil ins Nachbarland. In der Hansestadt soll, so das Ergebnis des Volksentscheids im Juni, die nächste Bürgerschaftswahl nicht mehr nach Parteilisten, sondern ebenfalls in Wahlkreisen durchgeführt werden. Hinter den Kulissen wird bereits in allen Parteien heftig um die Details des neuen Systems gerungen – und vor allem um Direktmandate. Die niedersächsische Reform wird deshalb in Hamburg sehr sorgfältig beobachtet – und von manchen sorgenvoll. kai schöneberg

sven-michael veit