Pfarrer Motschmann ist zurück

■ Sein neukonservativer Kampf gegen die neuheidnische Ära in St. Martini

„Ich dachte, hier in Bremen sei es besonders schlimm. Aber wenn man dann nach Berlin kommt, das ist einfach widerlich.“ An jeder Litfaßsäule, überall traf er auf den „Ausbruch des praktizierten Heidentums“, von den Horrorvideos bis zu „Diskotheken mit zwielichtigem Umgang“, überall hat er „geistigen Schmutz und Schund“ entdeckt.

Am Sonntag aber war Pfarrer Motschmann zurück auf seiner Kanzel in St. Martini und rief seine Gemeinde, ergänzt durch evangelikale Fans aus des Pfarrers vormaligem nordelbischem Missionsgebiet, zum Kampf gegen das „neuheidnische Zeitalter“ auf. Gleich beim Nachmittagskaffee könne sie damit anfangen. „Bringen Sie das Wort auf Gott und auf die Bibel“, und es würden sich Streitgespräche entwickeln. Wenn es um das Wort Gottes und gegen den Zeitgeist gehe, dann kein „Friede, Freude, Eierkuchen ganz falsch.“ Denn: „Eine Kirche, die nicht mehr kämpfen will, ist ein Verein zur Pflege religiöser Bedürfnisse.“ Und: „Kampf tut Not für eine bekennende Kirche.“

Die Anleitung dazu entnimmt Pastor Motschmann dem Text, über den er predigt, Apostelgeschichte 17, 16 - 32, wo Paulus unter den neuigkeitsüchtigen Athenern missioniert, nach dem immer noch für jedes Glaubensgespräch gültigen Rezept: Anknüpfen, Informieren, Bezeugen. Anknüpfen heißt, „den andern da abholen, wo er steht“, so wie Paulus die Athener beim „Altar des unbekannten Gottes“ abholt, den sie schon haben und ihnen dann sagt, daß der Altar dem christlichen Gott gilt, der den Erdkreis durch seinen Sohn richten und dazu die Toten auferstehen lassen wird. Das Bekennen ist das Entscheidende. Dagegen ist die Empfehlung, die der Pastor in einem Handbuch für Religionslehrer gelesen hat, daß man die formale Weltlichkeit des Unterrichts nicht durchbrechen und bloß keinen frommen Eindruck machen soll, „ein Greuel vor Gott und ein Verstoß gegen sein Gebot“. Es gehe ums Bekennen und Sich-Entscheiden. Das heißt: „Sich in Freiheit seiner Freiheit entäußern“.

Lauter Sätze alttestamentarischer Eindeutigkeit. Der sie spricht, ist aber kein Eiferer mit Schaum vorm Mund, kein Frömmler, den man schon am altfränkischen Gestus kennte, wie man annehmen könnte, wenn man seine Sentenzen schriftlich vor sich sieht. Es ist einer, der sehr weltgewandt daherkommt, sich über Zenon und über die Epikuräer informiert, bevor er die Predigt schreibt, und der nicht pastoral dröhnt. Der holt uns da ab, wo er uns vermutet: Er illustriert die Neuigkeitssucht der Athener der Apostelgeschichte bei den Schwierigkeiten, die Frank Elstner zu „knacken“ hat, weil die Neuerungssucht im Fernsehen so „harte Standards setzt“. Der hat vor der Predigt schon in der Sonntagzeitung gelesen, daß eine Moskauer Zeitung ein (für Gorbatschow gutes) Horoskop gedruckt hat und ordnet es uns ein als irregeleitetes, religöses Interesse. Er zitiert aus einer wissenschaftlichen Studie, daß 15% der Sowjetbürger dieses teilen. Bleibt nur die Frage, wann sich die evangelikal Bekennenden endlich der Evangelisation des Ostens widmen darf, damit dessen Öffnung nicht der bekennenden Konkurrenz Woytilas anheimfällt. Uta Stoll